Gewitter reinigen die Luft. Den Spruch kennen Sie. Und so ist es auch in Beziehungen zwischen Menschen, dass ein reinigendes Gewitter für Klarheit, Erfrischung und ein besseres Miteinander sorgen kann. Wenn man es richtig angeht. Abmahnungen sind Klartext. Mit der richtigen inneren Haltung und dem richtigen juristischen Werkzeug. Und so verhält es sich auch bei Abmahnungen. Das Thema ist komplexer, als Ihnen vielleicht bewusst ist. Mit dem Verhältnis von Arbeitsrecht und Psychologie ist es wie bei einem Eisberg. Der Teil, den Sie sehen können, ist der arbeitsrechtliche Teil. Dieses Teils können wir schnell Herr werden und der Rest bedarf einer ebenso großen, wenn nicht größeren, Sorgfalt hinsichtlich Wahrnehmung, Analyse und Lösungsbereitschaft. (Die Wahrheit ist: Es verhält sich nicht nur bei Abmahnungen so sondern im Arbeitsrecht generell. Arbeitsrecht ist „Beziehungsrecht“. Wer das nicht erkennt, verspielt einen großen Teil seiner Handlungsmöglichkeiten.)
Schaffen wir also Ordnung indem wir den juristischen und den emotionalen Teil erst einmal trennen und je für sich sortieren.
Was ist also eine Abmahnung aus arbeitsrechtlicher Sicht? Wozu kann sie dienen und wie genau muss sie formuliert werden, damit sie vor Gericht auch Bestand haben kann?
Zunächst einmal muss klar sein, dass ein Arbeitnehmer oder Arbeitgeber nur für ein Verhalten abgemahnt werden kann, dass er selbst steuern und damit verändern kann. Es ist also nicht möglich, z.B. bei Krankheit abzumahnen oder sonstigen Persönlichkeitsausprägungen des Arbeitnehmers, die mit dem „Können“ zu tun haben.
Alles, was willentlich vom Arbeitnehmer oder Arbeitgeber beeinflusst werden kann, ist auch abmahnungsfähig.
Vielleicht haben Sie sich gerade die Augen gerieben: Doch es ist richtig. Auch der Arbeitnehmer darf und muss abmahnen, wenn er einen Vertragsverstoß des Arbeitgebers nicht hinnehmen will. Diese Abmahnung kommt zwar sehr selten vor und ist dennoch notwendig z.B. vor einer fristlosen Kündigung wegen fehlender oder verspäteter Gehaltszahlungen.
Eine Abmahnung ist im Vergleich zu einer Kündigung das mildere Mittel und in der Regel ist sie vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung auch notwendig. Nur bei ganz massiven Pflichtverstößen ist eine vorherige Abmahnung nicht notwendig.
Alternative zur Abmahnung – Ermahnung?
Oh mein Gott! Bitte keine Ermahnungen! Sie sind zwar die Vorstufe zur Abmahnung und sie sind juristisch wirkungslos. Zur Vorbereitung einer Kündigung taugen sie nicht. Ich halte daher nichts von Ermahnungen. Ermahnungen sollten gar nicht oder nur sehr, sehr sparsam verwendet werden.
Form der Abmahnung
Die Abmahnung muss nicht schriftlich erfolgen. Ich rate Ihnen jedoch dringend, die Abmahnung schriftlich zu erteilen. Es muss auch nicht das Wort „Abmahnung“ drüber stehen. Und auch hier rate ich Ihnen, es zu tun. Wenn schon Tacheles, dann richtig und klar.
Vorab ganz wichtig: Jeder nur ein Schinkenröllchen!
Folgende Kriterien müssen beim Schreiben einer Abmahnung „verarbeitet“ werden:
Begeht der Arbeitnehmer (oder Arbeitgeber) dann einen ähnlich gelagerten Pflichtverstoß, riskiert er die Kündigung. Bei einem völlig anderen Pflichtverstoß nicht unbedingt.
Wie viele Abmahnungen sind vor einer Kündigung notwendig?
Das lässt sich nicht pauschal sagen.
Arbeitnehmer (oder Arbeitgeber, die abgemahnt werden) haben 3 Möglichkeiten, gegen eine Abmahnung vorzugehen:
Die Abmahnung ist nicht fristgebunden. Aufgrund des Erziehungseffektes, den sie haben soll, sollte sie aber möglichst zeitnah erfolgen. Außerdem ist zu beachten, dass man ein Recht auf Abmahnung auch verwirken kann.
Ich selbst habe Abmahnungen in früheren Beiträgen als „Schuss vor den Bug“ bezeichnet. Diese drastische Formulierung aus dem Militärbereich gefällt mir nicht mehr ganz so gut, denn sie verschärft die Angst vor Abmahnungen auf beiden Seiten. „Gelbe Karte“ oder einfach „Klartext“ finde ich schöner.
Vorbehalte beim Arbeitgeber – Angst vor der Klarheit
Oft erlebe ich in der Beratung Arbeitgeber, die sich scheuen Abmahnungen auszusprechen. Folgende Ausreden und Vermeidungsstrategien bekomme ich dann zu hören:
Kennen Sie das? Nicht schlimm, denn den ersten Schritt haben Sie schon getan. Sie lesen diesen Artikel und beschäftigen sich mit Ihren eigenen Vorbehalten, die Sie sich vielleicht bisher nicht so gern angeschaut haben. Hier ein paar Fragen, deren Beantwortung Ihnen helfen kann, die Scheu vor einer Abmahnung zu verlieren. Das ist der Moment, in dem die Gefühle und Emotionen die Bühne betreten dürfen. Sie führen diesen Prozess in einem geschützten Rahmen durch. Alles ist gut und alles hat Platz:
Es gäbe sicherlich noch viele Fragen und wenn Sie sich mit den oben genannten auseinander setzen, kommen Sie sich selbst schon ein ganzes Stück auf die Schliche. Es geht mir darum, dass Sie diese vermeintlich negativen Gefühle und Emotionen annehmen und ihnen einen Platz geben. Sie sind nämlich nicht negativ sondern ganz wichtig für Sie. Ihnen Beachtung zu schenken sorgt für Klarheit. Sie wirken dann auch äußerlich ganz anders. Authentisch, aufgeräumt und klar. Sie wissen dann, was Sie wirklich wollen und können das mit einem ganz anderen standing nach außen tragen. So haben Sie eine viel größere Chance, ernst genommen und respektiert zu werden.
Wenn Gefühle und Emotionen nicht erkannt werden, sind sie gleichwohl da. Sie randalieren dann aber wie eine Horde Vierjähriger ohne Aufsicht. Sie platzen in Ihre Verhandlungen und Gespräche und sorgen auf ihre ungestüme Art dafür, dass sie wahrgenommen werden. Menschen, die sich von ihren Gefühlen und Emotionen steuern lassen sind manipulierbar. Pah! Ich habe meine Gefühle im Griff, sagen Sie jetzt vielleicht. Ja. Kann schon sein. Und? Was macht der Magen? Der Kopf? Der Rücken? Na? Sie suchen sich ihren Weg, glauben Sie mir.
Die Innere Haltung zur Abmahnung macht den Unterschied
Abmahnungen werden leider oft als Kampfmittel gesehen. Und auch ich habe sie in früheren Beiträgen als „Munition“ im Kündigungsschutzprozess bezeichnet. Ja, auch ich kann mich entwickeln!
Und eigentlich sind sie einfach nur. Wie ein Skalpell des Chirurgen: Es kann töten und es kann Leben retten. Das mag zwar etwas theatralisch wirken und ist ein ganz gutes Bild dafür, dass es immer darauf ankommt, mit welcher inneren Haltung ich mich arbeitsrechtlicher Werkzeuge bediene. Die innere Haltung wird erst dann wirklich klar, wenn Sie durch den oben beschriebenen Prozess gegangen sind.
Sie wissen dann, was genau Ihre Erwartungen an ein Miteinander in Ihrer Arbeitsbeziehung sind und Sie haben das standing, dies klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Sie eiern nicht mehr herum. Sie sagen ganz klar, was Sache ist. Es hängen dann auch keine subtilen Botschaften mehr an Ihrem Verhalten, denn Sie wissen jetzt, was Sie wollen und was nicht und Sie geben dem Anderen die Chance, dies zu erfahren und sich in Zukunft danach zu richten. Sie haben sich nichts vorzuwerfen: Sie haben alles gesagt und alles getan, um die Arbeitsbeziehung so zu gestalten, wie Sie es möchten. Wie der Andere damit umgeht, ob er auch so reflektiert ist, wie Sie und ob er Ihr Angebot zu einem fairen und klaren Miteinander annimmt, liegt an ihm. Wenn er sich nicht danach richten möchte, dann trennen sich Ihre Wege irgendwann und auch das ist gut. Zu erkennen, dass die gegenseitigen Erwartungen in der Arbeitsbeziehung nicht deckungsgleich sind und dass Sie unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was jede Seite einbringen darf in diese Beziehung, ist super. Sie quälen sich dann nicht länger mit einem Schuh, der beiden nicht passt.
Selbstreflektion schafft Klarheit, Fairness und Wertschätzung für Sie und Ihr Gegenüber. Sie sind wichtige Weggefährten im Beziehungsleben. Auch und gerade in Ihren Arbeitsbeziehungen. Klartext kann die Luft reinigen, wie ein Gewitter und nach dem Regen … Sie wissen schon.
Machen Sie´s gut und bleiben Sie schön flexibel!
Ihre Sandra Flämig