24 Mrz
2014

Fristlose Kündigung ohne Abmahnung bei sexueller Belästigung

Das LAG Niedersachsen hat am 6.12.2013 (Az.: 6 Sa 391/13) eine Entscheidung zum Thema sexuelle Belästigung getroffen, die erneut zeigt, dass die Gerichte bei dieser Thematik keinen Spaß verstehen. Zu Recht. Der Sachverhalt zeigt auch, dass oft gerade Mitarbeiter, die schon lang beschäftigt sind, glauben eine Art Narrenfreiheit gegenüber ganz jungen Kolleginnen zu haben. Erst mal eine Abmahnung bei sexueller Belästigung? 

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Der Fall: Alter Kollege begrapscht Auszubildende

Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen schon seit 30 Jahren im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter. Er hat die 21-jährige Auszubildende im Oktober 2012 darauf angesprochen, ob ihre Brüste „echt“ seien und ob er sie mal berühren dürfe. Dies geschah, als die beiden allein im Frühstücksraum waren. Am darauffolgenden Tag nahm der Mann die Auszubildende in einem Nebenraum in den Arm, fasste ihr an die Brust und versuchte, sie zu küssen.Glücklicherweise konnte sich die junge Frau noch entziehen und meldete die beiden Vorfälle der Personalabteilung. Der Mitarbeiter wurde zu den Vorfällen angehört, der Auszubildenden wurde dann nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie blieb bei ihrer Darstellung und teilte mit, dass sie auch schon Strafanzeige gegen den Mann erstattet habe. Schließlich hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zur fristlosen Kündigung an und kündigte.

Die Klage: „Sie hat mich provoziert!“

Der Arbeitnehmer klagte. Er trug vor, dass die Auszubildende ihn provoziert und aufgefordert habe, mal anzufassen. Das Arbeitsgericht erhob Beweis durch Vernehmung der Auszubildenden. Um es kurz zu machen: Der Kläger hat sich in seinen Darstellungen gegenüber dem Arbeitgeber (Anhörung vor der Kündigung) und in seinen verschiedenen Schriftsätzen nicht stringent an eine Version des Sachverhaltes gehalten. Er stellte den Sachverhalt mal so, mal so dar. Die Auszubildende hingegen lieferte eine durchgehend nachvollziehbare, immer gleiche und sachliche Darstellung. Sie gab sogar zu, dass sie beim ersten Vorfall noch gar nichts dabei gedacht hatte und grundsätzlich ein gutes Verhältnis zum Kläger habe. Ihre Darstellung überzeugte das Gericht, weil sie stringent war, immer gleich, sachlich und nicht von Gefühl getragen war, dem Kläger eins auswischen zu wollen.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage jedoch stattgegeben, weil es der Ansicht war, eine Abmahnung genüge vollkommen.

Entscheidung des LAG: Abmahnung bei sexueller Belästigung hier nicht erforderlich

Dies sah das Landesarbeitsgericht anders. Für einen 53-jährigen Mann muss es vollkommen klar sein, dass er eine 18-jährige Frau nicht auf ihre Oberweite ansprechen dürfe, ganz gleich, ob diese auf seine Nachfrage, ob ihr das unangenehm gewesen sei, gesagt hat, es sei ihr nicht unangenehm. Zum Vorfall „in den Arm nehmen und auf den Mund küssen wollen“ sagt das Gericht: Die Verhandlung habe ergeben, es sei nicht zu erkennen gewesen, dass die Auszubildende für derartige Avancen des Klägers offen gewesen sei. Selbst wenn der Kläger sich durch das Verhalten der Auszubildenden provoziert und ermutigt gefühlt habe, sei ein Übergriff dadurch nicht zu rechtfertigen. Er sei alt und berufserfahren genug, um zu wissen, dass man auf Provokationen von Auszubildenden nicht eingeht.

Das sind deutliche Worte, die aufräumen mit dem Einwand „sie hat mich provoziert“. Sicherlich ist jeder Einzelfall für sich zu betrachten aber es ist schon deutlich, dass in Sachen Annäherung am Arbeitsplatz große Vorsicht geboten ist.

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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