1 Apr
2013

Abmahnung vor verhaltensbedingter Kündigung – Chefarzt telefoniert im OP

Das Bundesarbeitsgericht hat am 25.10.2012 (Az.: 2 AZR 495/11) darüber entschieden, ob eine Abmahnung vor verhaltensbedingter Kündigung notwendig ist. Wie immer kommt es auf den Einzelfall an:

Der Fall: Private Telefonate während der Arbeitszeit. Im OP!

In den beklagten Krankenhaus waren private Telefonate während laufender Operationen verboten. Dienstliche Telefonate waren geduldet.  Ein Chefarzt hatte sein Diensthandy und sein privates Handy immer mit in den OP genommen und war ein paarmal von seiner Frau und sonstigen privaten Kontakten während einer OP angerufen worden und hatte das Telefonat auch angenommen und bis zu 2 Minuten bei offenem Operationsfeld telefoniert. Das beklagte Krankenhaus kündigte dem Chefarzt fristlos, hilfsweise fristgerecht. Eine Abmahnung gab es vorher nicht.

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Die Entscheidung: Abmahnung vor verhaltensbedingter Kündigung erforderlich

Der Arzt erhob Kündigungsschutzklage und obsiegte in allen 3 Instanzen. Er hatte behauptet, bei dem beklagten Krankenhaus sei das private Telefonieren währen der Operation allgemein üblich gewesen. Außerdem seien nur deshalb so viele Telefonate auf sein privates Handy eingegangen, weil dieses Telefon hausintern eine Kurzwahlnummer hatte. Somit seien auch Dienstgespräche auf das private Handy aufgelaufen. Des Weiteren habe er für mehrere Monate keine Sekretärin gehabt und nur stundenweise eine Aushilfe. Er habe aber für niedergelassene Ärzte jederzeit verfügbar sein müssen. Er habe Patienten nie unsteril berührt und die Operationen haben sich auch nicht verzögert. Eine Gefahr habe für die Patienten nie bestanden.

Das Bundesarbeitsgericht hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Danach ist eine Abmahnung nur dann entbehrlich, wenn schon jetzt für die Zukunft vorausgesagt werden kann, dass sich das Verhalten des Arbeitnehmers durch eine Abmahnung nicht ändern werde oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, die der Arbeitgeber auch bei einem einmaligen Verstoß nicht hinnehmen muss und es für den Arbeitnehmer erkennbar war, dass ein solcher Pflichtverstoß nicht geduldet werden würde.Wenn es der Arbeitgeber duldet, dass das Diensttelefon mit in den Operationssaal genommen wird, dann muss er vor Kündigung wegen privaten Telefonierens währen der Operation eine Abmahnung aussprechen.

Der Chefarzt habe zwar gegen den Arbeitsvertrag verstoßen aber eine Abmahnung hätte hier genügt.

Fazit

Immer dann, wenn der Arbeitgeber damit rechnen kann, dass eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers möglich ist und es sich nicht um einen ganz erheblichen Pflichtverstoß handelt,  muss vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen werden.

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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