12 Apr
2018

Reichweite einer Ausschlussfrist

Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen sind dazu da, schnell für Rechtssicherheit zu sorgen. Meist stehen sie, wie alle „fiesen Sachen“, ziemlich weit hinten im Arbeits- oder Tarifvertrag. Das LAG Niedersachsen (21.02.2018 – 2 Sa 83/17) hatte in einem Fall von Unterschlagung seitens des Arbeitnehmers über die Reichweite einer Ausschlussfrist zu entscheiden. Es ist in seinem Urteil von der Rechtsprechung des BAG abgewichen. Die Revision ist daher zugelassen worden und wird sicherlich vom Arbeitgeber auch eingelegt werden. Dem ist angesichts des Urteils des LAG die von ihm vorformulierte Ausschlussfrist auf die Füße gefallen.

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Reichweite einer Ausschlussfrist – Der Fall

Ein Busfahrer war mit 2 befristeten Verträgen bei einem Busunternehmen angestellt. Der letzte Vertrag dauerte bis März 2015. Der Arbeitgeber verwendete einen vorformulierten Arbeitsvertrag. Darin war eine Ausschlussklausel folgenden Inhalts enthalten:

„…14. Ausschlußklausel

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind von den Vertragspartnern innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedoch innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung schriftlich geltend zu machen, andernfalls sind sie erloschen. Bleibt die Geltendmachung erfolglos, erlöschen sie, wenn der Anspruch nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird.…“ (Anm SF: Hervorhebung von mir)

Der Busfahrer sollte auch Fahrgeld kassieren und hatte dazu eine Erklärung unterschrieben, nach der er sich verpflichtete, die Einnahmen auf ein Konto des Busunternehmers zu zahlen. Seinen Nettolohn konnte er davon abziehen. Er zahlte auch ein bisschen was ein. Aber ein Betrag von rund 13.350 Euro ging der Arbeitgeberin durch die Lappen. Der Busfahrer hatte diesen Betrag angeblich unterschlagen. Er bestreitet dies. Die Arbeitgeberin machte Rückzahlung des vereinnahmten Fahrgeldes im Februar 2016 durch Klage geltend. Das war deutlich später als 3 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Busfahrer war der Ansicht, er habe zum einen das Geld nicht unterschlagen und zum anderen sei der Anspruch des Arbeitgebers verfallen, weil die Ausschlussfrist ganz klar von „allen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis spricht“.

Entscheidung

Das LAG gab dem Busfahrer recht. Die Arbeitgeberin unterlag in der Berufungsinstanz. Das LAG wendete die Ausschlussfrist auf sämtliche mögliche Ansprüche der Arbeitgeberin an, seien es nun Ansprüche aus der Verletzung des Vertrages oder Herausgabeansprüche oder Ansprüche aus unerlaubter Handlung (Unterschlagung. Stichwort: VORSATZ). Anders als das BAG (z.B. 8 AZR 280/12) ist das LAG Niedersachsen der Ansicht, dass von einer solchen, „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ umfassenden Klausel, auch die Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Handlung erfasst werden.

Das BAG sieht es so:

  • § 202 Abs. 1 BGB verbietet es, die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatz im Vorhinein durch Rechtsgeschäft auszuschließen
  • Das gelte auch für Ausschlussfristen. Daher darf die Verjährung/der Verfall von Ansprüche, die auf einer vorsätzlichen Handlung beruhen, nicht durch Vertrag begrenzt werden.
  • Die Vertragspartner wollen bei Vertragsschluss keine gesetzwidrigen Regelungen treffen. Das müsse unterstellt werden.
  • Sollte eine Formulierung in einem Arbeitsvertrag (AGB) auch einen außergewöhnlichen Fall erfassen, den die Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages nicht im Blick hatten, sei die Klausel trotzdem wirksam.

Mit anderen Worten: Das BAG „rettet“ Klauseln, die die Haftung für Vorsatz von der Ausschlussklausel nicht ausdrücklich ausnehmen. Eine Unterschlagung wäre dann ein solcher außergewöhnlicher Fall, den die Vertragsparteien nicht im Blick hatten und damit wäre die Klausel nach der Rechtsprechung des BAG wirksam.

Das LAG hält das für Mumpitz und formuliert:

  • Arbeitsverträge sind AGB und so auch die darin enthaltene Ausschlussfrist.
  • Wenn da drin steht, dass „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ so ist das eindeutig. „Alle“ erfasst auch Ansprüche aus vorsätzlicher Handlung.
  • Eine solche Regelung soll eben gerade allumfassend sein. Daran gibt es keinen Zweifel.
  • Das sei ja auch der Sinn einer Ausschlussfrist. Sie soll schnell und umfassend Rechtssicherheit schaffen.
  • Arbeitgeberin und Arbeitnehmer haben hier gerade nicht nach verschiedenen Ansprüchen differenziert.
  • Es mag zwar sein, dass die Arbeitsvertragsparteien nicht daran denken, dass eine der beiden Seiten vorsätzlich Schäden verursacht. Das kommt auch nicht so oft vor. Aber es handelt sich bei Schadensersatzansprüchen nicht um „außergewöhnliche und fernliegende Ansprüche“, die man sich gar nicht ausdenken kann. Vielmehr seien Schadensersatzansprüche auch aus vorsätzlicher Handlung durchaus Teil von Arbeitsverhältnissen, wenn sie auch nicht oft vorkommen.
  • Die Auslegung des BAG schützt den Arbeitgeber über Gebühr. Der kann mit seiner Formulierung bis an den Rand des Gesetzes gehen und sogar darüber hinaus. Wenn das passiert, dann bleibt ihm die Klausel erhalten. Juristisch spricht man von einer geltungserhaltenden Reduktion. Das BAG würde also den unwirksamen Teil einer Klausel „kürzen“ und den Rest erhalten. Das ist aber bei AGB ohnehin verboten.
  • Daher bleibt die Klausel voll erhalten, wie sie ist. Es wird nichts gekürzt.
  • Bleibt noch § 202 BGB. Darauf könne sich die Arbeitgeberin nicht berufen. Schließlich hat sie dem Arbeitnehmer die Klausel vor den Latz geknallt. Sie ist Verwenderin der AGB. § 202 BGB dient aber nicht dem Schutz des Verwenders von AGB sondern dem anderen Vertragspartner (hier: dem Busfahrer)

Es bleibt dennoch spannend, ob das BAG diese durchaus nachvollziehbare Argumentation mitträgt und seine Rechtsprechung ändert.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Allgemein

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