30 Sep
2016

Praktikantin oder Arbeitnehmerin?

Der Geschäftsführer einer GmbH rief mich an und teilte mir mit, dass er beabsichtige, eine Praktikantin für 3 Monate zu beschäftigen. Sie mache kein Studium und auch keine Ausbildung. Eigentlich habe sie etwas ganz anderes gelernt als man in der GmbH benötige. Sie wolle sich die Jobs einfach mal ansehen, eine Zeit bis zum Beginn einer vollkommen anderen Berufstätigkeit überbrücken und finde es außerdem ganz toll in seinem Team. Zu Letzterem habe ich meinen Mandanten erst mal beglückwünscht. Auch mir macht die Zusammenarbeit mit ihm Spaß. Doch ist die junge Frau wirklich als Praktikantin in seinem Unternehmen? Sicher war er sich nicht.

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Doch nun zu seinen Fragen:

1. Was ist ein Praktikum?

  • es findet im Rahmen einer Gesamtausbildung statt,
  • die NICHT systematische Berufsausbildung ist. Also z.B. im Rahmen eines Studiums oder als Zugangsvoraussetzung für ein Studium oder eine Berufsausbildung.
  • es ist vorübergehend
  • es soll praktische berufliche Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln
  • die AUSBILDUNG steht im Vordergrund
  • es soll auf die eigentliche berufliche Tätigkeit vorbereiten
  • es ist KEINE Berufsausbildung im Sinne des BBiG oder damit vergleichbare Ausbildung

2. Was bedeutet das arbeitsrechtlich für dieses Verhältnis zwischen Praktikantin und Unternehmen?

Seit 1.1.2015 gilt das MiLoG. Nach § 22 MiLoG haben Praktikantinnen und Praktikanten Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 8,50 Euro (ab 1.1.2017 8,84 Euro) pro Stunde.

Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen, die in § 22 Abs. 1, Satz 2  MiLoG nachzulesen sind:

„…Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, es sei denn, dass sie

1.ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten,

2.ein Praktikum von bis zu drei Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leisten,

3.ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit demselben Ausbildenden bestanden hat, oder

4.an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 des Berufsbildungsgesetzes teilnehmen.

Die in § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG genannten Praktikanten haben Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“.

An der Stelle kommt dann auch die dunkle Seite des Arbeitsrechts zum Tragen: Wer nur zum Schein eine Rechtsbeziehung als Praktikum bezeichnet, wenn der Ausbildungszweck also gar nicht im Vordergrund steht sondern fremdbestimmte Arbeit nach Weisung durchgeführt werden soll (Arbeitsverhältnis), der muss die angemessene, branchenübliche Vergütung zahlen. Das ergibt sich aus § 612 BGB.

Einen weiteren rechtlichen Rahmen bildet § 26 BBiG:

„Soweit nicht ein Arbeitsverhältnis vereinbart ist, gelten für Personen, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt, die §§ 10 bis 23 und 25 mit der Maßgabe, dass die gesetzliche Probezeit abgekürzt, auf die Vertragsniederschrift verzichtet und bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit abweichend von § 23 Abs. 1 Satz 1 Schadensersatz nicht verlangt werden kann.“

Es ist also rechtlich kein Hexenwerk, einen Praktikanten von einem „normalen“ Arbeitnehmer zu unterscheiden und dem Praktikantenverhältnis den richtigen rechtlichen Rahmen zu geben.

3. Wenn ein Praktikum rechtlich nicht möglich ist, wie löst man den Fall dann arbeitsrechtlich?

In dem eingangs geschilderten Fall meines Mandanten handelte es sich bei der jungen Frau also ganz klar nicht um eine Praktikantin. Sie sollte nicht zum Erwerb beruflicher Kenntnisse und zur Vorbereitung auf eine Ausbildung oder im Rahmen einer solchen beschäftigt werden. Sie sollte hauptsächlich mitarbeiten. Klar, sie lernt auch was dabei und kann in einen Bereich hineinschnuppern, der ihr noch nicht bekannt ist. Dennoch handelt es sich um eine fremdbestimmte Arbeit nach Weisung. Somit ist die Lösung der befristete Arbeitsvertrag. Eine sachgrundlose Befristung ist bis zu 2 Jahren möglich, sie hatte noch nie für diesen Arbeitgeber gearbeitet und somit war der Fall im Handumdrehen erledigt.

Mein Geschäftsführer ist zufrieden und ich bekam die Idee für diesen Artikel :-)

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Allgemein Arbeitswelt heute

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