Mitbestimmung des Betriebsrates bei Einzelmaßnahmen

Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Einzelmaßnahmen ist ein scharfes Schwert. Dieses Mitbestimmungsrecht wirkt im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Gleichzeitig hat es aber auch Auswirkungen auf das konkrete Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

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Mitbestimmung des Betriebsrates bei Einzelmaßnahmen – Einstellung, Versetzung, Eingruppierung, Umgruppierung

Um das Mitbestimmungsrecht richtig und umfassend ausüben zu können, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat informieren. Daher ist in § 99 Abs. 1  BetrVG geregelt, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung  unterrichten muss.  Dies gilt in Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern.

Dabei muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat :

  • die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorlegen. Bei einer Einstellung muss der Arbeitgeber die Bewerbungsunterlagen aller Arbeitnehmer vorlegen, die sich auf die Stelle beworben haben.
  • Auskunft über die betreffende Person erteilen
  • unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen die Auswirkungen der geplanten Maßnahme mitteilen

Bildnachweis: kallejipp / photocase.de

Außerdem muss der Arbeitgeber beim Betriebsrat die Zustimmung zu dieser Maßnahme einholen. Bei Einstellung und Versetzung muss der Arbeitgeber darüber hinaus auch noch den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die Eingruppierung mitteilen.

Wann ist die Verweigerung der Zustimmung zulässig?

Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn:

  • die geplante Maßnahme gegen Gesetz, VO, UVV, TV, BV oder Gerichtsentscheidung verstoßen würde
  • gegen eine Auswahlrichtlinie verstoßen würde
  • die berechtigte Sorge besteht, dass durch die Maßnahme Mitarbeiter gekündigt werden müssen oder sonstige Nachteile erleiden und es keine betriebliche Gründe dafür gibt. Die Sorge muss durch Tatsachen begründet werden können. Ein  Nachteil liegt z.B. dann vor, wenn ein „Neuer“ unbefristet eingestellt wurde und man einen gleich geeigneten befristet eingestellten Arbeitnehmer nicht berücksichtigt hat.
  • der betroffene Arbeitnehmer ohne betrieblichen Grund durch die geplante Maßnahme benachteiligt wird.
  • eine vom BR verlangte innerbetriebliche Ausschreibung nicht erfolgte.
  • die begründete Sorge besteht, dass der Bewerber den Betriebsfrieden stören wird insbesondere durch rassistische/fremdenfeindliche Betätigung. Diese Sorge muss durch Tatsachen begründet werden.

Verfahren bei der Verweigerung der Zustimmung

Der Betriebsrat muss seine Verweigerung der Zustimmung innerhalb einer Frist von einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber schriftlich an den Arbeitgeber mitteilen. Jedoch sagt das BAG hier, dass die Textform (E-Mail) genügt. Fußnote: Bei der identischen Formulierung in § 16 Abs. 1, Satz 1 BEEG zur Geltendmachung von Elternzeit,verlangte das BAG sehr streng die Einhaltung der Schriftform. Muss man nicht verstehen, nur hinnehmen und beachten.

ACHTUNG: Fristversäumnis = Zustimmung !

Der Arbeitgeber hat nun die Möglichkeit, die Zustimmung durch einen Beschluss des Arbeitsgerichts ersetzen zu lassen.

Auswirkung auf den einzelnen Arbeitnehmer

Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Einzelmaßnahmen hat auch auf den einzelnen Arbeitnehmer Auswirkungen. Zwar kommt der Arbeitsvertrag zustande. Der Arbeitgeber darf aber den Arbeitnehmer nicht beschäftigen. Tut er es dennoch, kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Arbeitgeber beantragen. Solange das Arbeitsgericht nicht die Zustimmung des Betriebsrates ersetzt, darf der Arbeitgeber die Einzelmaßnahme nicht durchführen.

Wenn das Arbeitsgericht rechtskräftig entschieden hat, dass der Betriebsrat zu Recht die Zustimmung verweigert hat, darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nie beschäftigen. Da dies alles aber an dem individualrechtlichen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nichts ändert, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Bezahlung und Beschäftigung aus dem Arbeitsvertrag hat.
Das kollektiven Mitbestimmungsrecht verdrängt den individuellen Beschäftigungsanspruch. Jedoch kann der Arbeitnehmer nichts dafür, dass der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrates nicht bekommen und dennoch den Arbeitsvertrag mit ihm abgeschlossen hat. D.h. der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Bezahlung nach § 615 BGB – Annahmeverzugslohn. Das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber wird in seinem Bestand auch nicht von dem endgültigen gerichtlichen Beschluss betroffen. Der Arbeitgeber muss also ordentlich kündigen, wenn er den Arbeitnehmern entgegen der Zustimmung des Betriebsrates eingestellt hat.

D.h. dem Arbeitgeber drohen ziemlich hohe Kosten (Zwangsgeld, Annahmeverzugslohn, Gerichts- und Anwaltskosten für sich und den Betriebsrat), wenn er sich der Zustimmung des Betriebsrates widersetzt.

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