30 Aug
2018

Wettbewerbsverbot durch salvatorische Klausel gerettet

Wettbewerbsverbote sind die „Challenge“ des Arbeitsrechtlers. Zumindest wird der juristische Geist durch die umfangreiche Kasuistik und die vielen möglichen Abzweigungen und Fallstricke beweglich gehalten. Es ist ein bisschen wie Parcour im Arbeitsrecht. Wenn man es gut macht, kann es auch genau so flüssig aussehen, wie bei einem Parcour-Künstler/Sportler. Wenn nicht … dann geht die Sache zum BAG. Das LAG Hamm hat am 5.6.2015 (10 Sa 67/15) eine kühne Entscheidung getroffen und damit die eigene Rechtsprechung bestätigt. Die Sache ist beim BAG zur Revision (10 AZR 448/15). Bis zur Entscheidung kann es jedoch noch ein Weilchen dauern.

Es stellt sich in der Beratung von Arbeitgebern nicht nur die Frage „ob“ ein Wettbewerbsverbot vereinbart werden soll sondern auch „was“ genau damit erreicht werden soll, welche Zahlungsrisiken sich für den Arbeitgeber ergeben und ob sich diese Risiken durch die Chancen, die sich mit der bezahlten Enthaltsamkeit ergeben, rechtfertigen lassen.

Ein Arbeitgeber hatte von seinen Rechtsanwälten Formulararbeitsverträge (Achtung: AGB-Kontrolle) mit Wettbewerbsverbot, sehr hoher Vertragsstrafe, Geheimhaltungspflicht und salvatorischer Klausel anfertigen lassen, die er dann auch verwendete.

In dem Wettbewerbsverbot war zwar die Verpflichtung enthalten, die Arbeitnehmerin solle 2 Jahre lang nicht beim direkten oder indirekten Wettbewerber arbeiten. Es war jedoch nicht ein Cent Karenzentschädigung vereinbart. Dafür sollte aber im Falle der Zuwiderhandlung gegen das Verbot eine Vertragsstrafe von 10.000 Euro fällig werden. Das ist, sportlich gesehen, ziemlich unfair. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand. In dem Vertrag war auch eine salvatorische Klausel enthalten:

„Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages nichtig oder unwirksam sein, so soll dadurch der Vertrag im Übrigen in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt werden. Anstelle der nichtigen oder unwirksamen Bestimmung soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrages gewollt hätten, sofern sie bei Abschluss dieses Vertrages die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit bedacht hätten.“

Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.12.2013. Die Arbeitnehmerin enthielt sich dem Wettbewerb und machte Karenzentschädigung in Höhe von monatlich rund 600 Euro für den Zeitraum 1.1.2014 – 31.12.2015 geltend. Der Arbeitgeber hatte im März 2014 gesagt, dass die Arbeitnehmerin sich nicht an das Wettbewerbsverbot zu halten brauche. Die Arbeitnehmerin obsiegte beim Arbeitsgericht und auch beim LAG. Die Revision ist zugelassen und auch schon eingelegt.

Argumente des Arbeitgebers:

  • Das Wettbewerbsverbot ist nichtig, weil gar keine Karenzentschädigung vereinbart wurde.
  • ständige Rechtsprechung des BAG: Null Karenzentschädigung = nichtiges Wettbewerbsverbot
  • daraus folgt: keine Möglichkeit des Wahlrechts für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sich an das Verbot halten zu wollen. Es ist nichtig, kaputt, futsch, unwiederbringlich hinüber.
  • Die salvatorische Klausel kann das mausetote Wettbewerbsverbot auch nicht retten, denn in der Klausel ist kein Hinweis  auf die Regelungen des HGB zum Wettbewerbsverbot. Das BAG hat Wettbewerbsverbote, die keine Karenzentschädigung ABER eine umfassende Verweisung auf §§ 74 ff. HGB enthielten für wirksam erachtet, da in der gesetzlichen Regelung, auf die verwiesen wurde, die Karenzentschädigung enthalten war und damit dem ausdrücklich verlangten Schriftformerfordernis Genüge getan wurde. Im Vorliegenden Fall ist durch den fehlenden Verweis auf die Vorschriften im HGB aber schon dem Schriftformerfordernich nicht genügt.

Argumente des LAG:

  • Grundsätzlich Nichtigkeit wegen fehlender Karenzzusage
  • salvatorische Klausel rettet auch das Schriftformerfordernis
  • salvatorische Klausel soll nichtige Vorschriften durch wirksame ergänzen. Wirksame Vorschrift wäre § 74 Abs. 2 HGB mit der Karenzentschädigung. Daher kommt die Karenzentschädigung als eigentlich gewollte wirksame Vorschrift an Stelle der unwirksamen vertraglich vereinbarten Vorschrift hinzu und das Wettbewerbsverbot wird damit wirksam. Ganz schöner Schlenker finde ich.
  • Es ist dabei davon auszugehen, was die Parteien vernünftiger Weise gewollt hätten: Hier spreche für den Wunsch nach einem wirksamen Wettbewerbsverbot die hohe Vertragsstrafe und die Geheimhaltungspflicht. Dem Arbeitgeber sei die Einhaltung des Wettbewerbsverbots also sehr wichtig gewesen.
  • Wenn dem Arbeitgeber die Einhaltung des Verbots so wichtig war, dann schließt das die Zahlungsverpflichtung mit ein. Es ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, dass die Menschen sich gesetzeskonform verhalten wollen. Ein frommer Wunsch. Und: Ja, so sollte es doch sein.
  • Der Arbeitgeber kann sich nicht auf die Formnichtigkeit berufen. Schon gar nicht, wenn er von vorn herein wusste, dass das Wettbewerbsverbot wegen fehlender Karenzentschädigung nichtig ist und wenn er wusste, dass die Schriftform für die Vereinbarung eines wirksamen Verbots notwendig ist. Mit anderen Worten. Der Arbeitgeber habe sich treuwidrig verhalten. Er wollte die Arbeitnehmerin reinlegen und hoffte darauf, dass sie sich an das Wettbewerbsverbot halten würde ohne selbst etwas zahlen zu müssen.

FAZIT: Ob die Entscheidung so vom BAG gehalten wird, ist fraglich. Die §§ 74 ff. HGB wurden mit keiner Silbe erwähnt und auch die Karenzentschädigung nicht. Das Schriftformerfordernis gibt es nicht umsonst. Gleichwohl lässt sich die Argumentation des LAG hören. Für die Zeit bis zur Entscheidung des BAG gilt: Entweder gleich richtige WV vereinbaren oder mit dem Risiko leben, dass das BAG das Urteil des LAG hält.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Allgemein

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