2 Sep
2016

Versetzung als „Stilmittel“ der Abteilung „Giftschrank Stuhlsäge & Co.“

Wenn die Chemie nicht mehr stimmt und der Arbeitgeber nicht kündigen kann oder will, dann kommt er mitunter auf abstruse Ideen. Ich beobachte leider immer wieder Spielchen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander spielen, wenn sie eigentlich nicht mehr miteinander können und sich das gegenseitig aus verschiedenen Gründen nicht sagen wollen. In diesem Beitrag geht es um die Versetzung, die eingesetzt wird, um eine altgediente Führungskraft, der aufgrund vertraglicher Gegebenheiten ordentlich nicht gekündigt werden kann, mürbe zu machen. Solche Fälle habe ich tatsächlich schon erlebt und möchte mit diesem Artikel dazu beitragen, sich über Alternativen jenseits des Giftschrankes Gedanken zu machen.

 

 

Zunächst ist eine Versetzung nichts weiter als ein arbeitsrechtliches Werkzeug. Es liegt im Werkzeugkasten des Arbeitgebers und ist einfach nur.

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Arbeitsrechtliche Seite der Versetzung

Arbeitsrechtlich erfolgt eine Versetzung aufgrund einer Weisung und auf der Basis des Arbeitsvertrages. Mit der Versetzung verändert der Arbeitgeber einseitig, also ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, die Arbeitsaufgabe, den Ort oder die Arbeitszeit. Da einseitige Bestimmungen durch den Arbeitgeber immer auch einen Eingriff für den Arbeitnehmer darstellen, regelt § 106 GewO, dass eine Versetzung immer auch „billigem Ermessen“ entsprechen muss. Die Interessen des Arbeitnehmers müssen also auch berücksichtigt werden. Es kommt darauf an, ob es ihm zumutbar ist. Der Arbeitgeber hat eine Interessenabwägung zwischen den betrieblichen Interessen und den Interessen des Arbeitnehmers durchzuführen.

In vielen Arbeitsverträgen sind Versetzungsklauseln enthalten. Diese müssen dahingehend überprüft werden, ob sie evtl. den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, intransparent oder überraschend sind. Ist die Versetzungsklausel an sich rechtmäßig, kommt im zweiten Schritt die sogenannte Ausübungskontrolle. Dabei wird dann die konkrete Versetzung hinsichtlich Zumutbarkeit und der Ausübung des billigen Ermessens durch den Arbeitgeber untersucht. Erst wenn hier auch grünes Licht gegeben werden kann, ist eine Versetzung rechtmäßig. Versetzungen bieten also genügend Möglichkeiten, sich zu streiten, wenn man das möchte.

Da sie als milderes Mittel einer Kündigung vorrangig sind, werden sie oft auch angewendet, wenn es darum geht, etwa 2 Streithähne zu trennen. Doch auch bei Umstrukturierungen oder zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen können sie zum Einsatz kommen. Versetzungen können also ein probates Mittel sein, um Arbeitsplätze zu retten oder einen Menschen sinnvoller als bisher einzusetzen.

Versetzungen sind also ein arbeitsrechtliches Werkzeug und es kommt auf die Hand an, die dieses Werkzeug führt.

Versetzungen werden bisweilen von „bad vibes“ begleitet. Entweder wird die böse Absicht vom Arbeitnehmer nur vermutet oder sie oder sie ist tatsächlich vorhanden.

Die psychologische Seite der Versetzung

Schauen wir uns daher nachstehend ein/zwei Fallkonstellationen an, in der der Arbeitgeber offensichtlich die Versetzung dazu nutzt, um eine Führungskraft loszuwerden.

So oder so ähnlich könnte es gelaufen sein

Eine Führungskraft ist schon 25 Jahre im Unternehmen beschäftigt und kennt den Laden wie seine Westentasche. Er hat sich intern ein großes Netzwerk aufgebaut und die Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner schätzen ihn. Er hat so seine Ansichten, ist ein wenig sperrig im Umgang und hat Persönlichkeit. So leicht macht im keiner ein X für ein U vor. Man muss sich schon etwas einfallen lassen, um diesen Menschen zu überzeugen und mitzureißen. Wenn einem das jedoch gelingt, ist er loyal und treu wie Gold. Seine Mitarbeiter hütet er wie seine Kinder und stellt sich schützend vor sie, wo er nur kann. Er tut dies auch – aus seiner Wahrnehmungswelt heraus – gegen Angriffe der Geschäftsleitung und anderer Führungskräfte.

Er gibt auch Widerworte. Er vergreift sich im Ton – aus der Wahrnehmung seiner Vorgesetzten heraus. Er hat schon viele Chefs kommen und gehen sehen und blickt auch dem neuen Vorstand sehr gelassen ins Auge.

Jahrelang arbeitet unsere Führungskraft unangefochten. Jedoch braut sich über seinem Kopf ein Gewitter zusammen. Wegen ausgeprägter Dickfelligkeit, kleiner „Wahrnehmungsschwierigkeiten“ (genannt: Starrköpfigkeit) oder weil sie sich in absoluter Sicherheit wiegt, bemerkt die Führungskraft davon nichts.

Aufgrund seiner langen Betriebszugehörigkeit und seines fortgeschrittenen Alters – vielleicht sogar alters- und bestandsgesichert durch einen Tarifvertrag oder besonders geschützt durch den Kündigungsschutz der Schwerbehinderten – ist ihm mit einer Kündigung schwer beizukommen. De Facto liegt auch kein Kündigungsgrund vor. Eine Beendigung per Aufhebungsvertrag kommt für den Arbeitgeber nicht in Frage, denn edie Führungskraft verdient sehr gut und das summiert sich dann auf mögliche Abfindungssummen jenseits von Gut und Böse – aus Sicht des Arbeitgebers.

Was genau versucht der Arbeitgeber?

Mehr oder weniger plump wird nun versucht, die Versetzung dafür einzusetzen, die Führungskraft zu zermürben. Jeder Mensch hat einen wunden Punkt.

Einmal wäre da die Möglichkeit der „Austrocknung“, indem man die betreffende Person, ausgestattet mit einem Block, einem Bleistift und einem roten Spielzeugtelefon (Ich übertreibe. Ein klein wenig nur.) in ein neues Büro setzt und sie von jeglichen Informationen abschneidet. Entweder abrupt oder sukzessive. Aufgaben werden also Schritt für Schritt entzogen. Irgend eine „krumme“ Begründung dafür findet sich. Zum Beispiel „konzeptionelle Sonderaufgaben“. Dafür braucht man schließlich Ruhe und einen freien Kopf! Doch nur, wer sich die Hose mit der Kneifzange anzieht, merkt nicht, dass diese „Versetzung“ juristisch unhaltbar ist und zum anderen den Zweck hat, den Menschen loszuwerden.

Eine andere Möglichkeit, die nicht ganz so hart ist und dennoch nervenaufreibend sein kann, ist die einvernehmliche Versetzung á la: „Wir versetzen Sie in die Abteilung X. Dort werden Sie Y machen dürfen (Wie wissen, dass Sie das nicht mögen, nicht können und daran scheitern werden). Wie lautet Ihre zustimmende Antwort? – Danke, das Sie so kooperativ sind. Wir schreiben auch gleich an alle Mitarbeiter unseres Unternehmens und Ihre externen Kontakte an, dass Sie die neue Aufgabe übernommen haben.“ Ende der Kommunikation. Zurück bleibt eine verdutzte Führungskraft, die hier auf einmal mit einer einvernehmlichen Versetzung konfrontiert hat, ohne jemals zugestimmt zu haben.

Wie genau reagiert die Führungskraft darauf?

In beiden Fällen ist die Führunsgkraft in der Regel schockiert, verletzt und kann es im ersten Moment gar nicht glauben. Dieses Vorgehen ist wirklich atemberaubend, denn den Betroffenen bleibt erst mal die Luft und die Spucke weg. Da hilft wirklich nur ein Gang zum Anwalt. Der wird ihnen zumindest bestätigen können, dass juristisch der Versetzung beizukommen wäre. Man könnte gegen die Versetzung klagen oder den arbeitsrechtlichen Beschäftigungsanspruch gerichtlich durchsetzen. Das ist jedoch wie bei einer Kopfschmerztablette: Es bekämpft das Symptom und nicht die Ursache. Es ist also im Gespräch mit dem Anwalt herauszufinden, was beide Seiten denn eigentlich wollen.

Sicht des Arbeitgebers

Das scheint, zumindest nach dem, was wir anhand beider geschilderter Fälle wissen, die Trennung vom Arbeitnehmer zu sein. Es soll höchstwahrscheinlich wenig kosten.

Aus Sicht des Arbeitgebers hat sich so einiges aufgestaut. Er kann die Führungskraft einfach nicht mehr um sich haben. Es kann sogar sein, dass an den fachlichen Fähigkeiten nicht gezweifelt wird, jedoch werden die menschlichen Fähigkeiten eher im unteren Bereich der nach oben offenen „Like-it-Skala“ angesiedelt.

Es kann aber auch sein, dass der Arbeitgeber der Ansicht ist, dass diese Führunsgkraft den neuen Entwicklungen hinterher hinkt und an dem Platz nicht mehr richtig ist.

Man hat sich nicht die Mühe gemacht, das zu erörtern und eine geeigneten Alternative zu finden, die beiden Seiten entgegen kommt.

Wahrscheinlich hat der Arbeitgeber in der Vergangenheit zu wenig oder gar nicht Klartext geredet. Er hat nicht deutlich gemacht, was genau er erwartet, so dass die Führungskraft es verstanden hat. Dem Arbeitgeber ist nicht klar, dass das Verhalten der Führungskraft nur ein Feedback auf das eigenen Verhalten des Arbeitgebers ist. Wenn er sich also über das Verhalten dieses Mitarbeiters ärgert, dann ärgert er sich eigentlich über sich selbst, denn er hat sich noch nicht richtig verständlich gemacht. Es wäre also durch eine sehr gute Kommunikation herauszufinden gewesen, wie die Botschaften des Arbeitgebers bei der Fürhungskraft verstanden werden. Wäre viel früher in die Kommunikation eingestiegen worden, hätte es Lösungsalternativen geben könne, die es jetzt nicht mehr gibt.

Sicht der Führungskraft

Wahrscheinlich will die Führungskraft einfach nur ihren Job machen und das in einer ihr bekannten Arbeitsatmosphäre und mit dem gewohnten standing. Sie will weiterhin etwas darstellen und die gleiche Wertschätzung, die sie von Internen und Externen erfährt auch von ihrem Vorgesetzten bekommen. Vielleicht ist sie nun auch schon so weit, dass sie nur noch weg möchte. Dann aber zu einem sehr hohen Preis.

Vielleicht ist der Führungskraft nicht klar, dass sie über Jahre eine Art Höhenflug angetreten hatte, der anfänglich noch ganz ulkig anzuschauen war aber mit der Zeit Blüten trieb, die, objektiv betrachtet, gegen die Gepflogenheiten des Business-Knigge oder sogar gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstießen.

Die Versetzung wird als Angriff verstanden. Die Führungskraft wird sich auch beschmutzt fühlen. Ein Fleck auf der weißen Weste. Rufschädigung. Existenzbedrohung. Das Aus.

Was tun mit dem Scherbenhaufen?

Zunächst einmal wäre in einem reflektierenden Prozess herauszufinden, wie es dazu kommen konnte. Dann ist zu prüfen, ob es vielleicht doch noch einen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis zu retten. Wenn dies nicht möglich ist, wäre es für beide Seiten sehr sinnvoll, jetzt mit Klartext und Kommunikation zu beginnen und eine Lösung zu finden, die die Trennung für beide Seiten erträglich macht und die Chance bietet, aufgerissene Wunden zu heilen.

Jetzt ist eine faire Trennung eine Möglichkeit, das Ruder nochmal herum zu reißen. Auch für den Arbeitgeber ist eine faire Trennung wichtig. Wenn Sie sich als Arbeitgeber der Stilmittel aus dem Giftschrank bedienen, dann bleibt dies intern und extern nicht unentdeckt. Sie werden beobachtet und Ihr Image speist sich auch daraus, wie Sie mit Ihren Mitarbeitern umgehen. Da der Fisch bekanntlich immer vom Kopf stinkt, ist es Ihr Kopf, der müffelt, wenn Sie mit Ihren Mitarbeitern umgehen, wie die Axt im Walde.

Die Führungskraft darf selbstverständlich auch reflektieren. Vor allem das bisherige Verhalten. Denn auch für die Führungskraft gilt: Das Verhalten Ihres Vorgesetzten ist nur ein Feedback auf Ihr eigenes Verhalten. Fangen Sie an, daraus etwas über sich selbst zu lernen! Wenn Sie das tun, dann haben Sie die Chance, dass es im nächsten Job besser läuft.

FAZIT

Versetzungen sind arbeitsrechtliche Mittel, ein Arbeitsverhältnis einseitig durch den Arbeitgeber zu gestalten. Sie sollten nicht als Stuhlsäge und Mittel aus dem Giftschrank missbraucht werden. Lieber rechtzeitig Tacheles reden. Dann können Versetzungen Arbeitsplätze retten und nicht vernichten.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Allgemein Arbeitswelt heute

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