14 Aug
2015

Unwirksamer Aufhebungsvertrag. Kündigung wegen Vorwürfen gegen Arbeitgeber

Manchmal fliegen in einem Arbeitsverhältnis richtig die Fetzen. Beide Parteien werden laut und sagen Dinge, die in Streitgesprächen zwar üblich aber unter objektiver Betrachtung nicht ganz so klug sind. Ob dies zur Kündigung ausreicht, hatte am 22.1.2015 (5 Sa 89/14) das LAG Mecklenburg-Vorpommern zu entscheiden. Es hat eine besonnene Entscheidung getroffen:

Die Klägerin ist Leiterin der Tierproduktion bei der Beklagten. Die Beklagte ist eine Genossenschaft, bei der die Klägerin auch Mitglied und im Aufsichtsrat ist. Die Genossenschaft selbst wird von 3 Vorständen geleitet. Die Klägerin ist seit 2003 beschäftigt und war im September 2013 zur Kur. Während der Kur hat sie erfahren, dass ihrem Sohn, der auch bei der Beklagten arbeitet, gekündigt wurde. Ganz Löwenmama rief sie umgehend bei ihrem Arbeitgeber an und verhielt sich „aufgebracht“. Die Äußerungen sind streitig. Sie soll gesagt haben „Man sieht sich immer zweimal.“

Ihr Arbeitgeber war wohl in der Vergangenheit nicht ganz zufrieden mit den Ergebnissen der Abteilung der Klägerin und hatte einen externen Berater kommen lassen, der einige Dinge aufzeigte, die verändert werden sollten. Es fand am 1.10.2013 ein Gespräch statt, an dem auch die Klägerin teilnahm und das am 2.10.2013 ohne die Klägerin fortgesetzt wurde. Der Vorstand beschloss, dass die Vertrauensbasis mit der Klägerin zerstört sei. Daraufhin bot man ihr MÜNDLICH einen Aufhebungsvertrag an. Einen schriftlichen Vertrag gibt es nicht. Der Gesprächsinhalt ist streitig. Die Klägerin gab ihren Schlüssel ab und ging. Jedoch bot sie schon 5 Tage später ihre Arbeitskraft wieder an, die nicht angenommen wurde. Vielmehr stellte der Arbeitgeber flugs einen neuen Leiter Tierproduktion ein – zum 1.11.2013. In dem Gespräch am 1.10.2013 soll die Klägerin zu einem Vorstand gesagt haben:

„Unter der Leitung von Deiner Person kann ich nicht arbeiten.“ „Du schikanierst mich und meinen Sohn, weil wir Dir die Meinung sagen.“ „Du suchst im Unternehmen nur Deinen privaten Vorteil und versuchst, Deine Meinung durchzusetzen.“ „Du bist ein schlechter Leiter.“ „Du wirst auch dafür Deine Strafe bekommen.“

Diese Äußerungen bestreitet die Klägerin. Des Weiteren habe die Klägerin behauptet, sie wolle sich einen neuen Arbeitgeber suchen, weil ihr die Arbeit bei der Beklagten keinen Spaß mehr mache. Daher habe der Arbeitgeber schnell einen neuen Leiter einstellen müssen. Die Klägerin habe schließlich ihren Abkehrwillen kundgetan und dies allein berechtige schon zur Kündigung.

Der Arbeitgeber kündigte am 21.10.2013 zum 28.2.2014. Die Klägerin erhob Klage. Der Arbeitgeber stellte einen Auflösungsantrag. Die Klägerin obsiegte mit der Klage, jedoch löste das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auf. Die Klägerin wehrte sich gegen die Auflösung mit der Beruf8ung. Der Arbeitgeber wehrte sich gegen das Urteil hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung ebenfalls mit der Berufung. Das LAG gab der Klägerin vollumfänglich Recht.

  • Der Aufhebungsvertrag ist unwirksam. Die Schriftform fehlt. Nur ganz ausnahmsweise darf sich der Arbeitnehmer nicht auf die fehlende Schriftform berufen. Dafür sind jedoch sehr hohe Hürden gesteckt. Ein Arbeitnehmer müsste mehrfach betonen, dass er an dem Aufhebungsvertrag interessiert sei und diesen auch ohne Schriftform gelten lassen will. das hat die Klägerin nicht getan. Sie ist mit dem Angebot sogar überrascht worden.
  • Die Kündigung ist nicht durch betriebliche Gründe gerechtfertigt. Die Einstellung des neuen Leiters (Huch, Stelle weg!) kann nicht dazu führen, dass der Arbeitsplatz für die Klägerin weggefallen ist. Wenn das möglich wäre, liefe das KSchG leer. Auch der vom Arbeitgeber behauptete Abkehrwille der Klägerin liegt nicht vor. Zumindest nicht in dem Maße wie er für eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen notwendig gewesen wäre. Die bloße Äußerung „Mir macht das hier keinen Spaß mehr. Ich suche mir einen neuen Job.“ ist eine bloße Meinungsäußerung, die sich absolut im zulässigen Rahmen bewegt. Vorliegend hatte die Klägerin nicht ihre arbeitsvertraglichen Pflichten vernachlässigt und auch auch nicht erkennen lassen, dass sie jederzeit gehen würde. Des Weiteren war nicht vorgetragen oder erkennbar, dass der Neue ohne die sofortige Einstellung nicht mehr zu bekommen gewesen wäre und man auf dem angespannten (:-)) Arbeitsmarkt keinen Ersatz würde finden können. Erschwerend kommt hinzu, dass all das im Zeitpunkt der Kündigung hätte vorliegen müssen. Die war aber am 21.10.2013. Da war die Wut der Arbeitnehmerin schon verraucht und sie hatte ihre Arbeitskraft ausdrücklich angeboten. Der neue Leiter war aber schon eingestellt.  Im vorliegenden Fall hatte der Vorstand einfach per Kurzschlusshandlung agiert, getragen vom Wunsch, der der Vater der Gedanken in Bezug auf die Trennung von der kampfeslustigen Mitarbeiterin war.
  • Verhaltensbedingte Gründe tragen die Kündigung auch nicht. Zwar seien die Äußerungen – wenn man sie mal als wahr unterstellt – teilweise starker Tobak jedoch angesichts des Streitgesprächs durchaus nicht unüblich. Eine Abmahnung wegen einiger Äußerungen hätte vollkommen gereicht. Die anderen – z.B. „Du bist kein guter Leiter“-  seinen von der Meinungsfreiheit gedeckt. Abmahnungen hatte es nicht gegeben. Somit war die Kündigung unwirksam auf der ganzen Linie.
  • Dem Auflösungsantrag konnte nicht stattgegeben werden. Der Arbeitgeber hatte nur dieselben Gründe vorgetragen, wie für die Kündigung und das genügt nicht.

FAZIT: Kurzschlusshandlungen sind immer schlecht. Kündigungen müssen gut vorbereitet sein. Der vorherige Gang zum Anwalt lohnt sich, denn vorliegend ist ein Annahmeverzugslohn in Höhe von rund 50.000 Euro angefallen.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Allgemein

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