3 Jun
2016

Personalgespräch ohne Betriebsrat möglich – Weigerung der Teilnahme: Kündigung

Arbeitnehmer haben oft den Wunsch, bei Gesprächen mit dem Arbeitgeber, die unangenehm zu werden drohen, den Betriebsrat dabei zu haben. Dies kann ein Arbeitnehmer jedoch nicht immer beanspruchen. Nur in bestimmten Fällen hat der Arbeitnehmer das Recht, einen Betriebsrat oder eine Vertrauensperson hinzuzuziehen. In dem Fall, den das LAG Hamm am 28.1.2016 (18 Sa 1140/15) entschieden hat hatte eine Arbeitnehmerin die Teilnahme an einem Personalgespräch verweigert und dafür die Kündigung bekommen.

Die Frau war seit 2011 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Sie arbeitete als Mitarbeiterin in der Jugendhilfe in einer Eltern-Kinde-Wohngruppe. Sie hatte schon zahlreiche Abmahnungen bekommen. Hier  interessiert vor allem eine Abmahnung vom 24.6.2014. In der Abmahnung wurde ihr vorgeworfen, dass man sie zu einem Gespräch eingeladen habe, um über die Probleme bei der Koordination ihrer Tätigkeit im Dienstplan zu sprechen. Sie sollte in dem Gespräch Vorschläge machen und man wollte ein Lösungskonzept erarbeiten. Die Mitarbeiterin wollte dazu ein Betriebsratsmitglied mitnehmen, was ihr auch erlaubt wurde. Dieses Betriebsratsmitglied war dann jedoch verhindert. Ein anderes Mitglied des Betriebsrates lehnte sie ab und erschien nicht zu dem Gespräch. In der Abmahnung machte ihr der Arbeitgeber unmissverständlich klar, dass in dem konkreten Fall kein Anspruch darauf bestanden habe, dass ein Betriebsratsmitglied zugegen ist, weil kein gesetzlich definierter Mitwirkungstatbestand erfüllt sei. Diese Rechtsansicht ist korrekt. Man teilte der Arbeitnehmerin weiterhin mit, dass sie einer Weisung, zu einem Personalgespräch zu erscheinen, noch dazu während der Arbeitszeit hätte Folge leisten müssen.

Nach einer weiteren Abmahnung, die hier inhaltlich nicht interessieren soll kam es erneut zu Problemen wegen der Erstellung des Dienstplanes. Konkret passte der Klägerin eine Einteilung zum Nachdienst Ende Oktober nicht. Ihre Vorgesetzte machte deutlich, dass sie einen Tausch der Dienste nicht wolle. Da die Mitarbeiterin sich weigerte, den Dienst Ende Oktober zu übernehmen, wurde sie für den 26.9.2014 um 8:30 Uhr zu einem Personalgespräch eingeladen. Am 26.9. hätte sie um 20 Uhr ihren regulären Dienst antreten müssen und kam am 25.9. um 20:00 Uhr aus der Spätschicht. Sie wollte einen Betriebsrat bei dem Gespröch am 26.9. dabei haben. Der konnte jedoch nicht kommen. Die Vorgesetzte bestand auf dem Gespräch und einer Klärung hinsichtlich der Nachtdienste. Die Klägerin kam nicht zum Gespräch. Kurz darauf wurde ihr nach Anhörung des Betriebsrates außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Die ordentliche Kündigung wurde vom LAG bestätigt, die außerordentliche nicht.

Die Gründe des LAG – auszugsweise:

  • Einschlägige vorherige Abmahnung mit dem rechtlich zutreffenden Hinweis, dass bei dieser Art Personalgespräche kein Anspruch auf Beisein des Betriebsrates besteht
  • es spielt keine Rolle, dass die Abmahnung für ein Gespräch während der Arbeitszeit erteilt wurde. Die Klägerin hätte auch die Weisung für den 26.9. befolgen müssen, weil der Arbeitgeber in der Ausgestaltung von Ort, Zeit und Art und Weise der Arbeitsleistung frei ist
  • Auch das Arbeitszeitgesetz wurde durch die Weisung, um 8:30 Uhr zum Gespräch zu erscheinen, nicht verletzt. Die Ruhenszeiten zwischen den beiden Schichten wurden durch den Gesprächstermin eingehalten.
  • es war der Klägerin auch zumutbar, die 31 Kilometer von zu Hause zur Arbeit zum Gespräch zu fahren und wieder zurück. Es ging immerhin um Differenzen hinsichtlich der Koordination der Arbeit, die schon lange bestanden hatten und deren Klärung für den Arbeitgeber sehr wichtig war.
  • Es gibt im BetrVG Vorschriften, die dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds geben (§§ 81 Abs. 4, 82 Abs. 2, 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 BetrVG). Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass dieser Anspruch eben nicht in jedem Fall bestehen kann.
  • mildere Mittel, wie z.B. eine Versetzung sah auch das LAG nicht. Eine Versetzung hätte an der Renitenz der Mitarbeiterin nichts geändert.
  • die außerordentliche Kündigung war nach Ansicht des LAG jedoch unwirksam, weil dem Arbeitgeber das Abwarten der kurzen Kündigungsfrist von einem Monat zumutbar war.

FAZIT: Nicht jedem Wunsch nach Beisein eines Betriebsrates muss der Arbeitgeber entsprechen. Jedoch handelt es sich hier um eine Einzelfallentscheidung und es ging auch nicht um ein Gespräch, bei dem der Mitarbeiterin im Nachgang die Kündigung gedroht hätte. Sie war nicht überrascht vom geplanten Inhalt des Gespräches, denn es ging klar um den Dienstplan. Arbeitgeber sollten jedoch vor der Verweigerung der Teilnahme einer Vertrauensperson oder Betriebsrates prüfen lassen, ob sie sich damit im Recht befinden. Das BAG hatte dazu eine Entscheidung getroffen (7 AZR 665/11): Die Teilnahme einer Vertrauensperson kann verweigert werden, wenn dadurch der Zweck des Gespräches gefährdet wird oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegen stehen. Der Arbeitgeber trägt dafür die Darlegungs- und Beweislast.

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Allgemein

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