8 Jul
2016

Der #Mitarbeiter passt nicht zu uns

Jeder Arbeitgeber, jeder Personalleiter und jeder Vorgesetzte kennt das und auch ich habe schon oft darüber berichtet: Ein Mitarbeiter steht quer im Stall. Die Führungskraft des Mitarbeiters sitzt täglich in Ihrem Büro. Sie sind Geschäftsführer, Vorstand oder Personalleiter und sollen bwz. müssen das „Problem“ lösen. Jetzt.

Tulpen

 

 

 

Ausgangssituation – Betrachtung von außen

Der Mitarbeiter ist schon 15 Jahre im Unternehmen. Er hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt. Vor 2 Jahren hatte er Ambitionen auf die Teamleiterstelle angemeldet. Der Vorgesetzte hatte schon damals Zweifel, ob der Mitarbeiter wirklich zur Führungskraft taugt. Doch es war Not am Mann und die Stelle wurde ihm übertragen. Die Zweifel bekam er nicht gesagt, man wollte ihn schließlich nicht verunsichern. Er bekam aber auch keine Schulung in Führungsarbeit sondern wurde ins kalte Wasser geworfen und befand sich in folgendem Setting:

  • Aus der Kollegenschaft zum Chef aufgestiegen.
  • Kollegen wussten, dass der Vorgesetzte des nunmehr gekürten neuen Teamleiters seine Bedenken hatte.
  • Kollegen waren Quereinsteiger und hatten den besagten Beruf nicht von der Pike auf gelernt.
  • Der Vorgesetzte des beförderten Mitarbeiters ist ein  Mensch, der gerne den Überblick behält, sich auch überblickartig berichten lässt und der Schritt für Schritt vorgeht. Er übt auch gern Kontrolle aus und behält die Zügel in der Hand. Der ausdrückliche Wunsch des Vorgesetzten ist: Setze meine Anweisungen im Team um.
  • Der beförderte Mitarbeiter fühlt sich durch die Beförderung geehrt und will endlich zeigen, was er kann. Er weiß ja nichts über die Zweifel. Er ist befördert worden, also traut man es ihm auch zu. Tschakaa! Er ist ein Mensch, der eher optional vorgeht und viel Freiheit braucht.
  • Der beförderte Mitarbeiter stürzt sich in die Arbeit! Er ist detailverliebt, sehr genau, hat immer wieder neue Ideen, braucht viel Freiraum und kommt in der Kommunikation gerne vom Hölzchen auf´s Stöckchen. Er verzettelt sich also, ohne es zu merken, denn er ist überaus kreativ.

Meuterei

Die Mitarbeiter sind verzweifelt. Der Chef-Chef sagt heute Hüh, der beförderte Mitarbeiter sagt jetzt Hüh, dann Hott und später wieder macht er eine 180-Grad-Wende, weil er eine neue Idee hat, der er nachjagt, wie ein Kind einem Schmetterling. Seine früheren Kollegen und jetzigen Mitarbeiter können ihm nichts Recht machen, denn in seiner Welt ist er der Profi und sie „nur“ die Quereinsteiger. Er will es ganz genau 150%-ig auch wenn 80% genügen würden. Es brodelt. Er merkt es nicht. Für ihn ist alles super. Die Mitarbeiter jedoch äußern sich auch nicht offen. Sie schlucken, sie murren. Dann naht Rettung durch eine Beurteilungsrunde, in der die Mitarbeiter ihren Vorgesetzten bewerten können. Jetzt bekommt er sein Fett weg. Die Bewertung ist unterirdisch. So schlecht, wie sie nur sein kann. Der beförderte Mitarbeiter ist entsetzt, schockiert und dennoch bereit, für Gespräche.

Aneinander vorbei reden

Der beförderte Mitarbeiter redet mit seinen ehemaligen Kollegen und jetzigen Mitarbeitern. Er hört, es habe nichts mit seiner Person zu tun, sondern mit der Kommunikation. Das erzählt er seinem Vorgesetzten. Dieser nimmt sich die Mitarbeiter nochmal separat zur Brust, ohne Anwesenheit des beförderten Mitarbeiters. Hier ergibt sich ein ganz anderes Bild: Die Mitarbeiter wollen auf gar keinen Fall mehr diesen Teamleiter haben. Sie beschweren sich über seinen Arbeitsstil: Heute so morgen so und übermorgen ganz was Anderes. Sie sagen, dass sie schon gar nicht mehr arbeiten, weil er es sich eh gleich wieder anders überlegt.

Das bekommt der Vorgesetzte des beförderten Mitarbeiters in den falschen Hals: er fühlt sich angelogen vom Teamleiter. Der habe ihm gesagt, es hänge nicht mit seiner Person zusammen und die Mitarbeiter sagen etwas ganz anderes. Eine Kündigung muss her. Sofort. Fristlos. Gesagt getan. Der Teamleiter bekommt nach 15 Jahren Tätigkeit in dem Unternehmen eine fristlose Kündigung. Er versteht die Welt nicht mehr.

Juristische Analyse

Juristisch gesehen ist diese Kündigung das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Sie ist bestenfalls ein Aufschrei und Ausdruck von Hilflosigkeit. Begründet wird sie damit, dass der Mitarbeiter „gelogen“ habe, weil er der Ansicht war, es läge gar nicht an seiner Person sondern an der Kommunikation. Das jedoch hat nur damit zu tun, dass Menschen sich zum einen selbst schützen und dadurch schon mal einen Wahrnehmungsfilter aufsetzen. Zum anderen kann man „es liegt an der Person“ ja auch unterschiedlich interpretieren. Fakt ist, der Mann hatte keine Abmahnungen und auch wirklich keinen Verstoß begangen. Er ist schlicht als Führungskraft ungeeignet aber das berechtigt nicht zu einer Kündigung.

Diese messerscharfe Analyse löst aber das Problem für die Beteiligten nicht. Der Arbeitgeber möchte diesen Menschen nicht mehr beschäftigten und verständlicherweise sein „Problem“ ganz schnell gelöst haben. Der Mitarbeiter sieht sich juristisch im Recht – zu Recht – und will sein Einkommen gesichert haben.

Zwischenmenschliche Analyse

Der Mitarbeiter ist extrem verletzt. Aus seiner Sicht hat er alles richtig gemacht und ist nur ein bisschen gestolpert bei seinen ersten Gehversuchen als Führungskraft. Der Arbeitgeber, der die „Schuld“ beim Teamleiter sucht, hätte vorher viel klarer und genauer arbeiten dürfen. Schon die Beförderung hätte entweder unterbleiben oder befristet werden müssen. Zumindest hätte man mit dem Teamleiter eine Führungskräfteschulung durchführen müssen.

Es wurde auch nicht beachtet, dass der Vorgesetze des Teamleiters komplett anders tickt: Er ist ein Mensch, der schnell zur Sache kommt, Klarheit liebt und Schritt für Schritt vorgeht. Der Teamleiter ist detailorientiert, arbeitet unstrukturiert und liebt die Freiheit. Wenn man das weiß, kann man durchaus miteinander arbeiten. Es wird nicht ohne Reibung gehen doch es kann klappen. In so einer Konstellation ist viel Kommunikation zwischen Teamleiter und seinem Vorgesetzten notwendig.

Lösung

Dem Mitarbeiter eine fristlose Kündigung vor den Latz zu knallen ist meiner Ansicht nach nicht o.k. Ja, man kann es machen, und wird damit auch Erfolg haben, denn der Mensch ist dann so geknickt, dass er nicht mehr dort arbeiten möchte. Es wird eine Menge Geld kosten. Es wird aber auch Wunden hinterlassen. Beim Teamleiter und auch intern, denn der Umgang mit Mitarbeitern wird intern registriert.

Nun ist es aber aus Verzweiflung eben doch so gekommen. Wie also vorgehen?

  • Machen Sie sich als Arbeitgeber selbst ganz ehrlich klar, ob Sie diesen Mitarbeiter noch weiter beschäftigen wollen oder nicht und wenn ja, an welcher Stelle.
  • Jetzt reden. Jetzt klar sein und als Arbeitgeber ganz deutlich sagen, welche Erwartungen man hat und wo man den Mitarbeiter sieht: Intern als Führungskraft nach einem Training und mit der Möglichkeit der Befristung oder intern als Mitarbeiter in der bisherigen Abteilung oder in einer anderen Abteilung oder sehen Sie nur die Trennung.
  • Dem Mitarbeiter Zeit lassen und Gesprächsbereitschaft signalisieren. Er braucht jetzt eine Perspektive und die Chance, zu reflektieren, damit er aus Vergangenem lernen kann. Vielleicht ist er ja in einer anderen Branche und in einer anderen Funktion viel besser aufgehoben. Diesen Erkenntnisprozess darf man getrost unterstützen und zeigt damit wieder Wertschätzung ggü. dem Mitarbeiter, die durch das beschriebene Vorgehen ziemlich gelitten hat.
  • Offen sein für Lösungen jeglicher Art.
  • Nicht eher abschließen, bis alle Seiten ein gutes Gefühl bei der Lösung haben. Sie pflegen damit auch Ihr Image als Arbeitgeber und tragen aktiv zur Heilung der Wunden beim Arbeitnehmer bei, die  Sie mit zu verantworten haben.

Fazit

Ein solcher Fall ist lehrreich für den zukünftigen Umgang mit „schwierigen“ Mitarbeitern. Klarheit über die eigenen Erwartungen hinsichtlich der Performance des Mitarbeiters, schnelle Kommunikation der eigenen Erwartungen gegenüber dem Mitarbeiter und auch nachfragen, wie genau er es verstanden hat, Klarheit über die Konsequenzen wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden und immer wieder Gesprächsbereitschaft  sind die Zutaten für die Prävention. Außerdem sollten die jeweiligen juristischen Möglichkeiten immer vorher geprüft werden. Wenn man sich z.B. bei einer Beförderung nicht sicher ist, dann sollte die Möglichkeit der Befristung unbedingt ins Auge gefasst werden.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Allgemein Arbeitswelt heute

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