Mein Weihnachtsgeschenk für Sie ist eine Geschichte, die ich 2014 geschrieben habe. Sie wurde von der Malerin Ramona Hoffmann liebevoll illustriert. Was dieser Beitrag mit Ihnen und mit dem Arbeitsrecht zu tun hat, dürfen Sie selbst herausfinden. Und wenn Sie dazu keine Lust haben, genießen Sie einfach die Geschichte. Viel Spaß!
Die Geschichte von der ganz besonderen Maus
Es war einmal eine kleine Maus, die lebte mit ihren Eltern und ihrer großen Schwester in einem fernen Land. Die Familie der kleinen Maus war schon immer eine Milchzahnmaus-Familie gewesen. Schon die Großeltern der kleinen Maus, ihre Urgroßeltern und wieder deren Urgroßeltern waren Milchzahnmäuse soweit man sich zurückerinnern konnte. Ihre Aufgabe war es, zu den Kindern zu gehen und die Zähnchen einzusammeln, die ihnen im letzten Kindergartenjahr auszufallen begannen, damit die neuen Zähne Platz hatten. Dazu hatten sie sehr niedliche und praktische Schürzen an, die am Bauch eine große Tasche hatten. Die ausgefallenen Milchzähne der Kinder sammelten sie in ihre Schürzentaschen und nahmen sie mit sich fort.
Manche Kinder waren traurig, weil ein liebgewonnener „alter“ Zahn ausgefallen war. Es hatte geblutet und zurück blieb eine hässliche Lücke. Der neue Zahn brauchte einfach ein bisschen Zeit zum Wachsen. Die Mäuse wussten das. Sie hatten ja schon über viele Generationen Milchzähne von Kindern eingesammelt. Daher brachten sie den Kindern immer ein Geschenk für jeden verlorenen Zahn mit. Es waren klitzekleine Geschenke. Schließlich waren die Mäuse auch klitzeklein und schon ein Kinderzahn war in ihren Händen so groß, wie wenn Du einen Apfel in die Hand nimmst. Doch die Größe des Geschenkes war gar nicht wichtig. Die Kinder freuten sich nämlich jedes Mal über die winzigen Gaben: Denn genau das, was die Milchzahnmaus dem Kind unters Kopfkissen gelegt hatte, war etwas, was dieses Kind jetzt brauchte, um wieder fröhlich zu sein.
Es war so, als wüssten die Mäuse ganz genau über die Sehnsüchte und Hoffnungen der Kinder Bescheid. So zumindest kam es den Kindern vor. Sie unterhielten sich natürlich untereinander über die ausgefallenden Zähne, ihre Traurigkeit, die Geschenke und deren wohlige Wirkung.
Der Papa der kleinen Maus zeigte seinen beiden Töchtern immer wieder, wie wichtig es war, eine gute Milchzahnmaus zu werden:
„Unsere Aufgabe ist sehr wichtig. Wenn die Kinder ein Zähnchen verlieren, es weh tut und dann erst mal eine Lücke ist, sind sie traurig. Wir helfen den Kindern. Durch unsere Arbeit und unsere kleinen Geschenke sind die Kinder sogar stolz auf ihre Zahnlücken. Sie wissen, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt und können sich darauf freuen.“
Papa, Mama und Schwester waren deshalb auch sehr eifrig dabei, ihre wichtige Aufgabe zu erfüllen.
Nur die kleine Maus hatte überhaupt keine Lust dazu. Sie fand Zähne sammeln total doof. Sie schimpfte, tobte und warf zornig die gesammelten Milchzähne aus ihrer Schürze und auch die Schürzen ihrer großen Schwester und ihrer Eltern waren vor ihr nicht sicher. Einen blöden Zahn nach dem anderen pfefferte sie mit Karacho durchs Zimmer und schrie dabei:
„Ich will keine blöde Milchzahnmaus sein! Zähne sind doof! Ihr seid alle doof! Niemals werde ich eine Milchzahnmaus!“
So ging das Tag für Tag. Die Eltern der kleinen Maus versuchten alles: Sie schimpften, gaben Hausarrest, redeten auf sie ein …aber nichts half.
„Warum kann sie denn nicht verstehen, wie wichtig es ist, den Kindern zu helfen, die ihre Zähnchen verloren haben?“ fragten sich die ratlosen und besorgten Eltern. Sie hatten ihre kleine Maus natürlich trotz all der Toberei sehr, sehr lieb. Auch die große Schwester hatte die kleine Maus sehr lieb. Sie hatte das eine oder andere Mal bei einem Tobsuchtsanfall ihrer kleinen Schwester genervt mit den Augen gerollt und sich gefragt: „Warum kann das kleine Ding denn nicht einfach so sein, wie alle anderen Milchzahnmäuse auch?“
Da kam eines Tages eine weise alte Maus zu Besuch. Sie hatte von den Sorgen der Mäusefamilie gehört und sagte, sie wisse Rat. Sie nahm die kleine Maus bei der Hand und ging mit ihr in den Wald spazieren.
„Was findest Du denn nun so doof?“ begann sie zu fragen.
„Zähne sammeln!! Was ist das denn für eine bescheuerte Arbeit!“ schoss es aus der wütenden kleinen Maus heraus.
„Aha verstehe“ sagte die weise alte Maus. „Zähne sammeln ist also doof.“
„Hach!!! Das sag ich doch die ganze Zeit!!!“ Die kleine Maus war schon wieder auf 180.
„Und was ist mit: den Kindern Geschenke bringen?“ forschte die weise alte Maus weiter, nur um gleich eine neue Explosion der kleinen Maus zu erleben:
„ICH BIN DOCH NICHT DER WEIHNACHTSMANN!“ schrie zornig die kleine Maus und bebte und schlotterte dabei vor lauter Aufregung.
„Hhm…“ machte die weise alte Maus und strich sich nachdenklich über die Barthaare. „Bist Du traurig?“ fragte sie leise die kleine Maus.
Die Kleine Maus, die diese Frage noch nie gehört hatte, schaute die weise alte Maus an: „Ja!…..“ schluchzte sie und dann kullerten ihr die Tränen nur so die Backen herunter.
„Was macht Dich denn so traurig?“ fragte sanft die weise alte Maus und legte vorsichtig ihre Pfote auf die Schulter der kleinen Maus.
Die kleine Maus drehte sich zu ihr, sah sie an, rang nach Worten und stammelte: „Das…. das…. das…“ sie holte tief Luft: „Das ich nicht so sein kann, wie die anderen. Alle sammeln Zähne und bringen Geschenke und mir macht das einfach keinen Spaß und ich kann das auch nicht. Ich kann gar nichts!“
Die weise alte Maus nahm die kleine Maus in den Arm und lächelte.
„Ich verrate Dir jetzt ein Geheimnis: Einmal in 100 Jahren wird in unserer großen Mäusefamilie eine Maus mit einer ganz besonderen Gabe geboren. Sie kann Kindern auf eine ganz besondere Art helfen. Sie hat die Fähigkeit, die großen und kleinen Sorgen der Kinder aufzuspüren.“
Die kleine Maus hatte aufgehört zu weinen und gespannt zugehört: „Und was macht diese besondere Maus, wenn sie die Sorgen aufgespürt hat?“ fragte die kleine Maus. „Sie findet einen geheimen und für alle anderen Mäuse unsichtbaren Reißverschluss in der Seele der traurigen Kinder. Den öffnet sie vorsichtig nachts, wenn die Kinder schlafen und zieht dann alle Sorgen und Traurigkeit heraus. Dann macht sie ihre Schürzentasche auf und lässt an die Stelle, an der die Sorgen gewesen sind, Licht, Wärme und Fröhlichkeit strömen. Danach schließt sie den Reißverschluss wieder. Wenn die Kinder am nächsten Morgen aufwachen, haben sie vergessen, dass sie Sorgen hatten, traurig oder wütend waren. Sie sind einfach nur vergnügt und spüren, wie es ihnen warm ist ums Herz.“
Die kleine Maus hatte mit großen Augen und offenem Mund zugehört und schaute die weise alte Maus an.
„Und Du, meine liebe Kleine, bist diese ganz besondere Maus. Eine von denen die nur alle 100 Jahre in unserer Mäusefamilie geboren werden.“
„Ehrlich?“ fragte die kleine Maus und probierte ein kleines Lächeln.
„Ganz ehrlich“ erwiderte die weise alte Maus.
„Das ist ja toll! Dann bin ich ja doch eine Maus, die den Kindern helfen kann und ich muss keine doofen Zähne sammeln und keine blöden Geschenke bringen!“ rief sie übermütig. Sie war eben eine sehr temperamentvolle kleine Maus.
„Na, na, na“ kam es von der weisen alten Maus „Zähne sammeln und Geschenke bringen ist eine sehr wichtige Sache. Auch die hilft den Kindern. Genau wie Sorgen finden, herausnehmen und gegen Fröhlichkeit, Licht und Wärme austauschen. Nur anders.“
„Dann gehöre ich also zur Familie und mache dasselbe wie alle Mäuse nur eben anders?“
„Ganz genau. Dasselbe, nur anders.“ bestätigte die weise alte Maus.
Die kleine Maus war von diesem Tag an wie ausgewechselt. Sie spürte die Kinder auf, die Sorgen hatten und traurig waren. Sie fand den geheimen und nur für sie sichtbaren Reißverschluss, nahm die Sorgen heraus und ließ Wärme, Licht und Fröhlichkeit in die Seelen der Kinder fließen. Bald war sie so bekannt wie ihre Eltern und ihre große Schwester und genau so beliebt.
Wann immer Du, liebes Kind, Sorgen hast oder traurig bist, dann leg Dich in Dein Bett und bitte die kleine Maus, zu Dir zu kommen. Du wirst sehen und spüren, sie kommt. Denn sie ist sehr fleißig und liebt es, kleinen und großen Kindern zu helfen.