11 Okt
2016

Fristlose Kündigung wegen Betrugs

Ist bei Zahlungen über Firmenkreditkarte oder vom Firmenkonto ohne Belege eine fristlose Kündigung gerechtfertigt? Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 17.3.2016 (2 AZR 110/105) darüber entschieden.

Der Fall – Ursache für die fristlose Kündigung

Ein Vertriebsleiter war seit 2004 bei einer deutschen Tochtergesellschaft einer türkischen AG beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag war unter anderem geregelt, dass Aufwendungen im üblichen Rahmen erstattet werden, wenn es dafür Belege gibt. Zwischen den Parteien kam es zum Bruch. Die Arbeitgeberin kündigte und es wurde am 6.7.2009 ein Abwicklungsvertrag zum 31.7.2009 geschlossen. Aus diesem Vertrag hatte der ehemalige Vertriebsleiter einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 740.000 Euro. 290.000 hatte er am 8.7.2009 ausgezahlt bekommen. Am 14.7.2009 kündigte man fristlos das Arbeitsverhältnis, forderte die 290.000 Euro Abfindung zurück und darüber hinaus weitere 55.000 Euro.

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Der Vertriebsleiter habe über Jahre deutlich fünfstellige Beträge von der Firmenkreditkarte bezahlt. Mal war es Kleidung für den Privatgebrauch, mal waren es Zahlungen an Firmen -angeblich- ohne Gegenleistung.

Der Vertriebsleiter hat außerdem Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Arbeitgeberin erstattet wegen Nötigung und Bedrohung. All das rechtfertige eine fristlose Kündigung. Überdies, so ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, warf man dem Vertriebsleiter vor, die fürstliche Abfindung sei durch ein kollusives Zusammenwirken mit dem früheren Geschäftsführer zustande gekommen.

Der Vertriebsleiter wehrte sich gegen die fristlose Kündigung. Außerdem verklagte er die Arbeitgeberin auf vollständige Zahlung seiner Abfindung. Er bekam in allen 3 Instanzen Recht. Der Arbeitgeber muss ihm die volle Abfindung zahlen und der Vertriebsleiter muss die Ausgaben, die er nicht belegen kann, nicht zurück zahlen.

Gründe des BAG für die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung

Das BAG führte aus:

  •  Zunächst ist zu prüfen, ob ein Grund „an sich“ – also ganz abstrakt – geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Das ist bei einem  Belegbetrug und auch hinsichtlich der Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Arbeitgebers grundsätzlich der Fall.
  • Nur im ganz konkreten Fall konnte die Arbeitgeberin sich nicht auf einen wichtigen Grund stützen, denn sie hatte die Praxis „Ausgaben ohne Beleg entgegen der arbeitsvertraglichen Verpflichtung“ jahrelang ohne Widerspruch hingenommen.
  • Beweise dafür, dass der Kläger Kleidung für private Zwecke mit der Firmenkreditkarte bezahlt hatte, lieferte die Beklagte nicht.
  • Bei weiteren fünfstelligen Ausgaben hatte der Kläger angegeben, dass es sich um Marktanalysen und Produktpräsentationen gehandelt habe, die den entsprechenden Dienstleistungsfirmen bezahlt werden mussten. Die Arbeitgeberin hätte dies nachprüfen müssen und den Gegenbeweis führen müssen. Das hat sie nicht getan. Sie berief sich darauf, dass es keine Unterlagen dazu im Unternehmen gab. Jedoch hatte sie auch nicht bei Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nachgehakt, ob dort etwa noch Unterlagen zu finden seien.
  • Der Arbeitgeber hat im Kündigungsschutzprozess die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des Kündigungsgrundes. Dem ist der Arbeitgeber vorliegend nicht nachgekommen.
  • Der Arbeitgeber muss Rechtfertigungsgründe, die der Arbeitnehmer vorträgt widerlegen. Durch Beweise und durch Sachvortrag. Auch das hat der Arbeitgeber vorliegend nicht getan.
  • Auch eine Verdachtskündigung komme hier nicht in Frage. Es liege schon gar kein dringender Tatverdacht vor. Die Arbeitgeberin habe einfach zu pauschal (vulgo: schlampig) vorgetragen.

Fazit

Arbeitgeber sollten einen Verstoß gegen den Arbeitsvertrag nicht jahrelang widerspruchslos dulden. Kündigungen und Zahlungsansprüche müssen sehr gut vorbereitet werden. Mit pauschalen An- und Vorwürfen gewinnt man keinen Prozess.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Allgemein

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