18 Dez
2015

Erfolge feiern und Scheitern lernen

Ich habe täglich mit Menschen zu tun, die in arbeitsrechtlichen Krisen stecken: Führungskräfte, Personalleiter, Unternehmer. Männer  und Frauen, die für ihren Beruf brennen. Mir fällt dabei immer wieder auf, wie sehr sich meine Mandanten das Scheitern, das Problem, die Krise selbst übel nehmen. Wie wenig milde sie mit sich selbst umgehen, nur weil mal etwas schief gegangen ist in ihrem (Arbeits)leben und wie wenig Platz das Scheitern hat. Sie richten ihren Scheinwerfer nebst sehr großer Lupe auf ihr momentanes Problem. Dabei sehen sie nicht, dass es auch in diesem Arbeitsleben, auch in diesem Unternehmen für sie schon zahlreiche Erfolge – ganz kleine, kleine und große- zu verzeichnen gab, die hätten gefeiert werden dürfen. Doch das haben sie oft nicht gemacht. Erfolge werden abgehakt und weiter geht´s. Schade.

Mit Fehlern wird anders verfahren. Da neigen wir gern dazu, aus der Mücke einen Elefanten zu machen. Scheitern ist in unserer Arbeitskultur nicht en vogue. Dabei ist das doch gerade die Schule, in der wir am meisten lernen; auch und gerade, wenn der Fehler Geld gekostet hat. Sie können noch so gute und kostspielige Seminare besuchen, ein Fehler, der in Ihrer Bilanz spürbar ist, ist das beste Seminar, das Sie bekommen konnten. „Es“ ist doch ohnehin schon passiert, also beglückwünschen Sie sich dazu, denn ohne Fehler, ohne Scheitern, ist Fortschritt  schwer möglich. Wenn immer alles nur glatt geht und immer nur Friede, Freude, Eierkuchen herrschen, wird´s nicht nur langweilig. Es tritt auch Stillstand ein.

Ein weiterer Punkt kommt hinzu. Ich frage mich oft, warum in unserer Arbeitskultur die „Rolle rückwärts“, also das Herabsteigen von einer hohen Führungsposition auf ein Treppchen oder auch zwei weiter unten, so wenig angesehen, ja geradezu schambesetzt ist. Es ist doch nicht schlimm, zu erkennen, dass man den Wahnsinnsjob als Geschäftsführer nicht mehr ausüben kann (warum auch immer) aber immer noch einen ganz passablen (z.B.) Vertriebsleiter abgibt. Es ist doch nicht schlimm, zu erkennen, dass der Happen auf dem Teller einfach zu groß ist und man sich daran verschluckt und dafür entscheidet, wieder kleinere Häppchen zu essen. Und: „Fehler“ klingt immer nach „Schuld“. Wenn wir einen Fehler machen, sind wir schuld daran. Das ist nun wirklich die perfekte Anleitung zum unglücklich sein: Unsere Erfolge reden wir klein oder ignorieren sie. Die Fehler machen wir riesengroß und dann geben wir uns auch noch die Schuld. Prima!

Wenn Sie mir folgen möchten…. ich kenne einen Weg raus und hin zu deutlich mehr guter Laune:

Erster Schritt: Mit der Schuldzuweisung aufhören. Einfach die Schuldzuweisung bleiben lassen. By the way: „Ich bin (an allem!) schuld!“ hat auch immer was von „Im Selbstmitleid baden“. Zumindest ist die Gefahr groß. Wenn Sie dazu neigen, stellen Sie sich bitte vor, in einer kalten Schlammpfütze bei Null Grad Außentemperatur zu baden. Nicht schön. Das machen Sie aber, wenn Sie sich die Schuld geben und dann auch noch anfangen, sich selbst zu bemitleiden.

Zweiter Schritt: Fehler sind nur ein Feedback dafür, dass der Weg, den Sie eingeschlagen haben, nicht zu einer von Ihnen gewünschten (optimalen) Lösung geführt hat.

Dritter Schritt: Feedback ist schon ein bisschen konstruktiver – oder? Nun schauen Sie sich an, was genau, wie genau schief gegangen ist und wie genau Sie es beim nächsten Mal ANDERS machen können, damit Sie zu Ihrem Ziel kommen. Am besten nehmen Sie dazu emotional eine distanzierte Haltung ein. Stellen Sie sich vor, „es“ ist nicht Ihnen sondern Ihrem besten Freund passiert und der fragt Sie nun, wie er vorgehen soll. Das soll Sie davor bewahren, wieder in die Schlammpfütze zu fallen. Sie werden keinen soooo großen Bock geschossen haben, dass Sie keine Freunde mehr haben. Die könnten auch tatsächlich und nicht nur in Ihrer Vorstellung eine Hilfe sein.

Vierter Schritt: Beim nächsten Mal den anderen Weg ausprobieren, immer schön flexibel bleiben und das Lachen nicht vergessen. Das lockert auf und Sie kommen leichter in FLOW.

Und nun zum Erfolge feiern. Falls es Ihnen passiert sein sollte, dass Sie nach vielen Jahren als Führungskraft in einem Unternehmen nun gehen müssen oder falls Sie als Unternehmer dieser Führungskraft enttäuscht oder traurig sind, dass diese Beziehung zu Ende geht: Richten Sie den Scheinwerfer auf die guten Zeiten Ihrer Arbeitsbeziehung und genießen Sie, was alles toll gewesen ist. Sie werden staunen, was alles zu Tage tritt, wenn Sie sich nur ein bisschen Mühe geben und die positiven Aspekte eines Arbeitslebens herausarbeiten.

Schließlich noch ein verrückter Vorschlag: Es ist Jahresende und  wir ziehen Bilanz. Das dürfen Sie ganz persönlich auch tun. Schreiben Sie alles auf, was Sie toll gemacht haben und was an Ihnen toll ist. Dann laden Ihre (echten) Freunde ein, bestellen ein tolles Essen, stellen den Champagner kalt und werfen sich in Schale. Nun ist es wie beim wichteln: Jeder zieht den Namen eines der Anwesenden und jeder Ihrer Gäste hat eine „Meine Erfolge 2015 – Liste“ dabei. Sie halten nun einer nach dem anderen eine Laudatio auf jeden der Anwesenden und feiern gemeinsam ihre Erfolge. Das dürfen auch die gefühlt kleinen Erfolge sein. Alles ist erlaubt. Hauptsache, Sie machen sich bewusst, dass Sie viel erreicht haben, dass Sie es feiern und dass Sie das auch noch hinausposaunen! Viel Spaß dabei!

Herzlichst

Ihre

Sandra Flämig

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Allgemein Arbeitswelt heute

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