6 Mai
2016

Der Low Performer – Richtiger Mensch am falschen Ort

Manchmal ist es für Arbeitgeber wie verhext. Da ist dieser langjährige Mitarbeiter. Er ist „teuer“ im Sinne von , er verdient zu viel Geld. Ach, was sage ich? „Er verdient den riesigen Haufen Kohle nicht, den wir ihm jeden Monat überweisen!“ Das höre ich oft von Arbeitgebern, die mit einem Mitarbeiter unzufrieden sind, weil dieser nicht in der Qualität und in dem Tempo arbeitet, wie sie möchten. Die Kehrseite der Medaille: Eine Führungskraft fühlt sich gemobbt, weil der Chef – wieder gefühlt – mehr und mehr Aufgaben entzieht, neu verteilt, nicht mehr so oft bzw. gar nicht mehr mit der Führungskraft redet, sie in ein anderes Büro versetzt usw.

Es handelt sich dabei um mindestens 2 sehr unglückliche Menschen, die einfach so wie bisher nicht mehr miteinander arbeiten können. Das trauen sie sich aber nicht, dem jeweils anderen zu sagen. Stattdessen spielen sie die bekannten arbeitsrechtlichen Spielchen aus dem Bereich „Stuhlsäge, Giftschrank, Otto bzw. Ottilie Opfer, um nur einige zu nennen. Diese Spielchen werden gespielt, weil Arbeitgeber und Mitarbeiter bisher nichts anderes kennen, um ihrem Unglück ein Ende zu bereiten. Wenn wir rein juristisch an das Beziehungsgefüge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herangehen und uns mit den klassischen arbeitsrechtlichen Mitteln aufmunitionieren und dann gegenseitig die Köpfe einschlagen, dann ist eine Trennung meistens der einzige Ausweg und sie hinterlässt auf beiden Seiten Wunden. Wie im Krieg halt. Doch, anders als Stromberg uns einmassieren wollte, ist Büro nicht Krieg sondern ein Platz, an dem Menschen zusammentreffen, die sich einander nicht ausgesucht haben. Zwar wurde der Mitarbeiter irgendwann mal von diesem Arbeitgeber eingestellt und hat dem auch freudig zugestimmt, doch dann wechselt der Vorgesetzte, im Leben des Mitarbeiters gibt es Veränderungen, die Kollegen kommen und gehen. Es ist nichts mehr, wie es früher war.

Jetzt, mangels Alternative, auf zum Giftschrank.

  • Hier finden wir beispielsweise die „Austrocknung“, die natürlich nicht so genannt wird. Auf dem Fläschchen steht „Versetzung“: Dem Mitarbeiter werden nach und nach Aufgaben entzogen. Andere Mitarbeiter werden – auf der Tonspur und ohne Zeugen – angewiesen, nicht mehr mit ihm zu reden, er bekommt ein schönes neues Büro mit einem Spielzeugtelefon – ich übertreibe ein wenig – usw..
  • Eine andere Zutat aus dem Giftschrank ist die Abmahnungswelle. Wurde früher – jahre- bzw. jahrzehntelang – nie abgemahnt, hagelt es nun eine Abmahnung nach der anderen mit dem einzigen Ziel – und darauf kommt es an, wenn wir bei dieser Form der Abmahnung von Giftsschrankzutat sprechen – den Mitarbeiter mürbe zu machen.
  • Dann haben wir da noch den „Liebesentzug“, der zum Bereich der „Austrocknung“ gehört und noch ein bisschen bitterer schmeckt: Der Vorgesetzte redet nicht mehr mit dem Mitarbeiter auch nicht auf Nachfrage und wenn überhaupt nur sehr knapp und unterkühlt, dies wird gern auch vor anderen mehr oder weniger demonstrativ zur Schau gestellt.

Das sind nur 3 Zutaten aus dem Giftschrank. Doch was ist eigentlich passiert? Ich erlebe es oft, dass der Mitarbeiter, über den der Arbeitgeber klagt oder der – im umgekehrten Fall – bei mir sitzt, einfach nicht auf die Stelle passt, die er ausüben soll. Das kann schon von Beginn an so gewesen sein oder es hat sich so entwickelt, weil neue Vorgesetzte den Mitarbeiter und dessen Fähigkeiten anders einschätzen oder weil es eine Entwicklung in dem Aufgabenbereichen gegeben hat. Der Mitarbeiter ist mit der Aufgabe überfordert, sie macht ihm keinen Spaß und das führt zu Fehlern, Unlust und schlechten bis gar keinen Arbeitsergebnissen. Es hat sich jedoch bislang keine der beiden Seiten Gedanken darüber gemacht, was der Mitarbeiter eigentlich wirklich richtig gut kann, wo seine Stärken liegen und was ihm richtig Spaß macht. Es wurde auch nie klar darüber geredet, dass man mit der Performance nicht zufrieden ist bzw. wurde dies dem Mitarbeiter nicht in einer Art und Weise gesagt, die er annehmen konnte und die nach einer wirklichen, nachhaltigen und für beide Seiten gewinnbringenden Lösung sucht.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Abmahnungen sind ein gutes Mittel, Mitarbeitern zu zeigen, was an ihrem Verhalten man nicht mehr haben möchte und wie man sich das in Zukunft vorstellt. Sie müssen sein, um Grenzen zu setzen. Auch eine Versetzung ist eine prima Sache, wenn klar miteinander besprochen wurde, warum genau diese Versetzung notwendig geworden ist.

Doch wenn ein Arbeitgeber merkt, dass ihm ein Mitarbeiter wegen seiner Performance mehr und mehr missfällt, ist es höchste Eisenbahn, sich wirklich auf den Lösungsweg zu machen. Dabei kann ein Anwalt/Coach helfen. Es wird erörtert, was genau dem Vorgesetzten nicht gefällt. Ein erfahrender Anwalt/Coach stellt dazu die richtigen Fragen und lässt auch Platz für Gefühle und Emotionen, die dann ebenfalls genau beleuchtet werden damit sie integriert werden können und der Arbeitgeber wieder sachlich an den Fall herangehen kann. Wenn er sich erst mal richtig ausgekotzt hat – ja, das muss sein – kann man beginnen, den Blick auf die eigenen eher suboptimalen (Führungs)verhaltensweisen lenken. Das tun wir, um zu verstehen, dass wir es bisher nicht besser wussten und um zu lernen, wie es in Zukunft anders gehen könnte. Zunächst ist da die Analyse des sogenannten „Low Performers“. Irgendwann hat man den ja mal eingestellt. Was also sind die positiven Eigenschaften an diesem Mitarbeiter? Welche Projekte liefen in der Vergangenheit richtig bombig? Was hat er, was die Kollegen/Kunden schätzen? Schauen Sie genau hin. Da ist ein Mensch mit vielen Fähigkeiten, die Sie bisher nicht sehen konnten, weil sie sich dauernd – hauptsächlich über Ihre eigene Führungsschwäche – geärgert haben. Es würde helfen, sich nun auch mit dem Mitarbeiter zusammenzusetzen und Klartext zu reden: Bleiben Sie bei sich, reden Sie von Ihrer Wahrnehmung und sagen Sie deutlich, was Ihnen am VERHALTEN, nicht an der Person, dieses Mitarbeiters missfällt und wie genau Sie es sich anders vorgestellt haben. Signalisieren Sie, dass Sie für viele Lösungen offen sind und dass eine Trennung nur ein möglicher Lösungsweg ist. Jetzt kann der Mitarbeiter ebenfalls reflektieren, wenn er dazu bereit ist. Er kann dann vielleicht erstmals zugeben, dass ihm die Aufgabe nicht gefällt oder dass er überfordert ist und was ihm viel mehr liegen würde. Nun kann man kreativ schauen, ob es im Unternehmen einen Bedarf gibt, den Mitarbeiter so einzusetzen, dass seine Fähigkeiten bestmöglich genutzt werden. Und wenn die Trennung der Weg ist, der nach aller Überlegung übrig bleibt, dann ist auch das in Ordnung, weil der vorangegangene Prozess so gestaltet wurde, dass beide Seiten klar, deutlich und zugewandt miteinander umgegangen sind. Außerdem haben Sie dem Mitarbeiter ein Geschenk gemacht: Er weiß jetzt ganz sicher, was er nicht kann und will und kann sich mit dieser neuen Klarheit auf den Weg zu einem anderen Job machen oder er weiß jetzt, wie genau er seine bisherige Aufgabe an anderer Stelle besser erfüllen kann.

Und wenn der Mitarbeiter mauert und gar nicht willig in den schönen Prozess der Reflektion und Erleuchtung eintreten will? Das ist auch nicht schlimm. Ich meine, für Sie als Arbeitgeber ist das  nicht schlimm. Für den Mitarbeiter selbst ist es schon blöd, wenn er nicht bereit ist, sich seinen Anteil an der verfahrenen Situation anzuschauen. Doch Sie als Arbeitgeber haben es in der Hand. Es genügt, wenn Sie die Veränderung Ihres eigenen Verhaltens wirklich wollen und wenn Sie bereit sind, zur Klarheit und Sachlichkeit zu finden. Dieser Weg fühlt sich vielleicht ungewohnt und ein bisschen unangenehm an, weil Sie dabei in kleine oder große Abgründe Ihrer eigenen Persönlichkeit schauen werden. Doch es lohnt sich, denn das Ziel ist doch, dass Sie Ihr Unternehmen so führen, dass es Gewinn abwirft und alle Spaß bei der Arbeit haben. Das geht nur mit Klarheit und Reflektion. Tun Sie das nicht, wird sich „Ihr Problem“ wieder und wieder melden, solange, bis Sie es begriffen haben. Es geht also bei diesem Prozess um Nachhaltigkeit. Wenn Sie in Bezug auf diesen Mitarbeiter reflektiert und lösungsorientiert an die Sache herangegangen sind, dann werden Sie sich auch ganz leicht tun, wenn es auf der anderen Seite „bockig“ bleibt. Sie lassen sich dann nämlich nicht mehr manipulieren, sind ganz sachlich und weiterhin zugewandt. Das führt in der Regel zu einer Trennung, die aber, weil Sie eben die Spielchen nicht mehr mitmachen, zumindest bei Ihnen keine Wunden hinterlässt. Sie haben alles getan, was Sie konnten, um eine gute Lösung zu finden. Außerdem sind Sie und Ihr Umfeld immer miteinander verbunden. Wenn Sie sich bewegen und verändern, dann ändert sich Ihr Umfeld mit – auch der Mitarbeiter. Wenn Sie in eine positive, lösungsorientierte Richtung ziehen, dann kommt der Mitarbeiter zwangsläufig mit. Das ist ein Gesetz. Ein gutes, wie ich finde. Es ist ein bisschen wie Magie :-)

Viel Spaß beim Lösen!

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Allgemein

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