24 Mrz
2016

Arbeitnehmerüberlassung: Geschäftsführer verleiht sich selbst!?

Um die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wird immer wieder gerungen. Alles hochpolitisch. Und so schön unpraktisch. Das Recht der Arbeitnehmerüberlassung, der Werkverträge und die Problematik der Scheinselbstständigkeit sind das Salz in dieser trüben Suppe. In dem Fall, den das LAG Schleswig-Holstein am 1.12.2015 (1 Sa 439 b/14) entschieden hat, ging ein Entleiher mit einer durchaus kreativen Idee baden und wurde Arbeitgeber. Die Revision zum BAG ist zugelassen.

Ein Kameramann hatte schon seit Jahren für einen Sender tätig. Der Sender hatte Arbeitnehmer nach einem Tarifvertrag beschäftigt und auch jede Menge „Freie Mitarbeiter“. Unter diesen befand sich auch der Kläger. Man teilte ihm seitens des Beklagten im Jahr 2000 mit, dass er umfangreich bei dem Sender beschäftigt werden könne, wenn er über ein Verleihunternehmen beim Sender arbeite. Der Kameramann gründete eine 1-Mann-GmbH. Er war Gesellschafter/Geschäftsführer und hatte die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. In einem Rahmenvertrag, den der Kameramann als Geschäftsführer der GmbH unterschrieben hatte, verpflichtet sich die GmbH nur zur Überlassung solcher Arbeitnehmer, die zu ihr in einem Arbeitsverhältnis stehen. In der Folge war der Kameramann (= Geschäftsführer des Verleihunternehmens) für den Sender in sehr großem Umfang tätig. Innerhalb von 6 Jahren war er mindestens die Hälfte des Jahres, vielfach sogar weit darüber, nur für diesen Sender tätig. Er hatte dabei Beiträge von weniger als 5 Minuten zu drehen, erhielt über Headset Anweisungen vom Regisseur, musste sich an eine vorgegebenes Grundkonzept halten und hatte natürlich auch bestimmte Arbeitszeiten einzuhalten. Wenn er einen Einsatz hatte, wurde er pauschal nach einem Tagessatz vergütet, ganz gleich ob man ihn die ganze Zeit in Anspruch nahm oder nicht. 2014 wurde die GmbH liquidiert und der Kameramann begehrte beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass er Arbeitnehmer des Senders geworden sei und in Zukunft zu den Konditionen eines dort angestellten Arbeitnehmers auch beschäftigt werden wollte.

Er gewann in der Berufungsinstanz. Hier die Gründe des LAG:

  • Der Sender konnte sich nicht damit aus der Affäre ziehen, dass der Kameramann „ausgeliehen“ worden war. Das AÜG gilt nur für den Verleih von Arbeitnehmern aber nicht für den Verleih von Geschäftsführer des Verleihunternehmens. Somit schied die Version der Arbeitnehmerüberlassung gleich zu Beginn der Prüfung aus.
  • Zwischen dem Kameramann und dem Sender war ein Arbeitsvertrag zustande gekommen. Die Konstruktion über die Arbeitnehmerüberlassung, die ja gerade diesen Vertrag verhindern sollte, war auf Veranlassung des Senders zustande gekommen. Die wussten auch, dass der Kameramann als Geschäftsführer handelte und als solcher eben gerade nicht überlassen werden kann. Außerdem wurde die Arbeitnehmerüberlassung nur gewählt, um (Arbeitnehmer)Rechte des Kameramannes auszuhebeln bzw. zu umgehen.
  • Der Kameramann wurde im Verhältnis zum Sender wie ein Arbeitnehmer eingesetzt.
  • Er war nicht programmgestaltend tätig sondern erledigte Arbeiten nach klaren Vorgaben des Regisseurs und einem Skript des Autors. Spielraum hatte er dabei nicht.
  • Er konnte nicht wie ein Selbstständiger seine Tätigkeit „im wesentlichen frei gestalten“ sondern war Weisungsgebunden und somit persönlich abhängig und in den Betrieb des Beklagten eingegliedert. Er arbeitete Seite an Seite mit dessen Arbeitnehmern, die teilweise auch als Kameraleute tätig wurden.
  • Die komplette Ausrüstung des Klägers wurde von dem Beklagten gestellt.

FAZIT: Arbeitnehmerüberlassung ist im Moment zumindest noch eine feine Sache und sollte immer von einem Anwalt begleitet werden. Auf beiden Seiten.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Allgemein

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