18 Mrz
2016

Abwicklungsvertrag ohne Abfindung unwirksam. Gutes Zeugnis kein fairer Gegenwert.

Rechtssicherheit bei arbeitsrechtlichen Schnellschüssen ist ein hohes Gut. Dieses wird in der Regel auch ordentlich bezahlt. Nicht so in dem Fall, den nun das BAG zu entscheiden hatte (2. AZR 347/14). Ich habe über die Entscheidung der Vorinstanz (LAG Niedersachsen, 5 Sa 1099/13) in diesem Blog schon berichtet. Sie war insofern spektakulär, als ein Abwicklungsvertrag, der für den Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage nichts weiter als ein gutes Zeugnis versprach vom Arbeitsgericht und vom LAG für wirksam erachtet wurde. Ein gutes Zeugnis sei etwas wert, weil man darauf als Arbeitnehmer keinen Anspruch hat und dem Arbeitnehmer  ein Prozess erspart wird, in dem er hohe Darlegungs- und Beweislasthürden nehmen und auch noch seinen Anwalt selbst bezahlen muss. Das klag einleuchtend und für Arbeitgeber verlockend. Das BAG jedoch sah das ganz anders. Der Arbeitnehmer obsiegte in dritter Instanz.

Dem Mann, der einem Schwerbehinderten gleichgestellt war, hatte der Arbeitgeber am 5.3.2013 eine auf den 28.2.2013 datierte Kündigung übergeben und gleichzeitig einen Abwicklungsvertrag, in dem der Arbeitnehmer auf sein Recht zur Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtete und dafür im Gegenzug ein Zeugnis mit der Note „gut“ erhalten sollte. Innerhalb der 3-wöchigen Klagefrist erhob der Mann Kündigungsschutzklage, berief sich unter anderem darauf, dass die Kündigung schon deshalb unwirksam sei, weil die Zustimmung des Integrationsamtes fehlte und er focht den Abwicklungsvertrag auch noch an.

Das BAG entschied für ihn aus folgenden Gründen:

  • Der Abwicklungsvertrag war nichtig, weil er gegen ein gesetzliches Verbot verstieß. Einen Schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Menschen darf gem. § 85 SGB IX ohne Zustimmung des Integartionsamtes nicht gekündigt werden. Eine Kündigung ist ein Rechtsgeschäft und Rechtsgeschäfte, die gegen gesetzliche Verbote verstoßen sind gem. § 134 BGB nichtig.
  • Der Abwicklungsvertrag vermag dies nicht zu heilen, denn er ist unwirksam, weil er den Arbeitnehmer gem. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt.
  • Es kommt gar nicht darauf an, ob es sich bei dem Abwicklungsvertrag und eine Allgemeine Geschäfstbedingung handelt. Der Arbeitnehmer gilt im Verhältnis zum Arbeitgeber als Verbraucher. Er hatte keinen Einfluss auf die Formulierung dieses – ggf. nur einmal verwendeten Vertrages-  und somit ist zu prüfen, ob ihn dieser Vertrag unangemessen benachteiligt.
  • Das bloße Versprechen eines guten Zeugnisses ist eine unangemessene Benachteiligung. Der Arbeitnehmer verzichtet auf ein gesetzliches Recht: Die Erhebung der Kündigungsschutzklage, die ihm ggf. seinen Arbeitsplatz erhalten hätte. Für diesen Verzicht bekam er keine angemessene Kompensation. Denn mit dem Versprechen, ein gutes Zeugnis zu erstellen gewinnt auch der Arbeitgeber Rechtssicherheit und erspart sich einen Prozess. Außerdem hat der Arbeitnehmer ohnehin einen Anspruch auf ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis und es sei davon auszugehen, dass die Parteien sich gesetzeskonform verhalten und keine wahrheitswidrigen Zeugnisse ausstellen wollen, so dass das BAG nicht erkennen konnte, worin hier der Mehrwert für den Arbeitnehmer lag. Man wolle ja nicht unterstellen, der Arbeitgeber habe sich – ggf. zu Lasten zukünftiger Arbeitgeber – zu einer Beurteilung verpflichten wollen, die nicht den Tatsachen entspricht. Ein echter Schenkelklopfer! Schön, dass die Arbeitsvertragsparteien generell auf diesem Wegen einen Seitenhieb vom BAG bekommen haben, denn die Zeugnisbasare sind wirklich ein Ärgernis.

FAZIT: Einen Arbeitnehmer auf die hier gezeigte Weise über den Tisch ziehen zu wollen, ist keine gute Idee. Schnelle Einigungen und schnelle Sicherheit haben ihren Preis. Ein Prozess, der fast 3 Jahre dauert hat ihn auch. Schlau sind alle. Die einen vorher, die anderen nachher ;-)

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Allgemein Blog

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