2 Feb
2012

Zustellung der Kündigung durch Übergabe an den Ehemann an dessen Arbeitsstelle. Geht das?

Das Bundesarbeitsgericht meint, das sei zulässig. Die Zustellung einer Kündigung kann dadurch bewirkt werden, wenn sie dem Ehemann der Arbeitnehmerin an dessen Arbeitsstelle in die Hand gedrückt wird.

Welche rechtlichen Überlegungen stecken dahinter?

Der Arbeitgeber muss den wirksamen und rechtzeitigen Zugang einer Kündigung beweisen. Das ist dann bedeutsam, wenn die Kündigung nicht direkt an den Arbeitnehmer übergeben wird oder werden kann.

Das Bundesarbeitsgericht hatte zu klären, ob einer Arbeitnehmerin eine Kündigungserklärung vom 31.01. noch am selben Tag oder erst am darauffolgenden Tag zugegangen ist und die maßgebliche Kündigungsfrist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats somit am 29.02. oder erst am 31.03. abgelaufen ist. (BAG Urteil vom 9.6.2011, Az.: 6 AZR 687/09)

Die Besonderheit lag darin, dass die Kündigung nach vorangegangenem Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin nicht der Arbeitnehmerin persönlich übergeben wurde, sondern am Nachmittag des 31.01. von einem Mitarbeiter des Arbeitgebers an den Ehemann der Arbeitnehmerin an dessen Arbeitsstätte in einem Bau- und Heimwerkermarkt. Die tatsächliche Übergabe der Kündigung erfolgte durch den Ehemann der Arbeitnehmerin am 01.02.

Wann die Kündigungsfrist und die Klagefrist für die Kündigungsschutzklage zu laufen beginnen, richtet sich nach dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigungserklärung. Die Erklärung wird dann wirksam, wenn sie dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Zugegangen ist die Kündigung, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers (hier: Arbeitnehmers) gelangt ist. Die Frage ist nun: Gelangte die Kündigung schon durch Übergabe an den Ehemann an dessen Arbeitsstelle in den Machtbereich der Arbeitnehmerin und wurde die Kündigung daher noch am 31.1. wirksam oder erst bei tatsächlicher Übergabe durch den Ehemann an die Klägerin am 1.2., was eine um einen Monat verschobene Kündigungsfrist zur Folge gehabt hätte und den Arbeitgeber ein Gehalt mehr gekostet hätte.

Wann hat ein Arbeitgeber alles den Umständen nach Erforderliche getan, um dem Kündigungsadressaten die hinreichend sichere Möglichkeit der Kenntnisnahme zu verschaffen? Kann sich eine Arbeitnehmerin auf ihre Unkenntnis berufen, wenn eine Kündigung an eine Person übergeben wird, die regelmäßig Kontakt zu ihr hat und auf Grund ihrer Reife und Fähigkeiten geeignet erscheint, eine Kündigung an sie weiterzuleiten?

Einen Mitarbeiter mit einer Kündigung zu dem Ehemann der Arbeitnehmerin in den Bau- und Heimwerkermarkt zu schicken, war nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts aus Gründen der Beweisbarkeit des Zugangs ein probates Mittel, weil der Mitarbeiter als Zeuge den tatsächlichen Erhalt der Kündigung, die Äußerungen des Ehemanns bei der Entgegennahme und den Zeitpunkt der Übergabe rechtssicher nachweisen kann.

Der Mitarbeiter durfte die Kündigung dem Ehemann der Arbeitnehmerin nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auch an dessen Arbeitsplatz übergeben. Einem Arbeitnehmer wird grundsätzlich zugemutet, dafür Sorge zu tragen, dass er von Erklärungen wie einer Kündigung, die in seine Sphäre gelangen, Kenntnis erhält. Das Gericht überträgt diesen ursprünglich für Postsendungen entwickelten Gedanken auf die Situation, dass eine Kündigung an eine Person übergeben wird, die regelmäßig Kontakt zu dem Machtbereich des Kündigungsadressaten hat und die Reife und Fähigkeit besitzt, derartig wichtige Erklärungen weiterzuleiten.

Neu in der Rechtsprechung ist, dass sich dieser sog. Machtbereich nicht auf den unmittelbaren räumlichen-gegenständlichen Bereich eines Kündigungsadressaten, sprich auf dessen Wohnung beschränkt. Menschen wie (Ehe-)Partner, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft werden nicht nur dann als empfangsberechtigt erfasst, wenn sie sich in diesem räumlichen-gegenständlichen Lebensbereich eines Arbeitnehmers befinden. Im Gegenteil, eine Kündigung ist auch dann in den Machtbereich des Kündigungsadressaten gelangt, wenn sie an einen Empfangsboten wie zum Beispiel den Ehemann außerhalb der Wohnung übermittelt wird.

Der Ort, an dem eine Kündigung an einen Empfangsboten übergeben wird, spielt natürlich eine wichtige Rolle, weil davon der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abhängt.

Das Bundesarbeitsgericht stellt klar, dass die Kündigung einem Kündigungsadressaten nicht automatisch mit der Übergabe an den Ehemann außerhalb der Ehewohnung zugeht. Er ist kein lebender stationärer Briefkasten, der, unabhängig von seinem „Standort“ einen sofortigen Zugang der Kündigung beim Kündigungsadressaten bewirkt. Der Empfangsbote ist vielmehr ein lebender, beweglicher Briefkasten, der neben der Entgegennahme der Kündigung noch die Weiterleitung der Kündigung vornehmen muss, so dass der Arbeitnehmer zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.

Erst nach Ablauf der Zeit, die der Empfangsbote für die Übermittlungstätigkeit normalerweise benötigt, kann von einem Arbeitnehmer erwartet werden, dass er von der Kündigung Kenntnis nehmen kann.

Das Bundesarbeitgericht kam zu dem Ergebnis, dass unter normalen Umständen mit der Aushändigung des Kündigungsschreibens durch den Ehemann noch am 31.01. zu rechnen war. Die Kündigung ging juristisch am 31.01. zu und wurde zum 29.02. wirksam.

Welche Zustellungsart man wählt, sollte man vorher gut überlegen und ggf. prüfen lassen. Dass einfache Briefe und selbst Einschreiben zu den arbeitsrechtlichen Todsünden gehören, hat sich hoffentlich herumgesprochen.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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