10 Okt
2012

„Wir haben die Stelle gar nicht besetzt.“ – Entschädigung bei Altersdiskriminierung

Der Sachverhalt, den das Bundesarbeitsgericht am 23.8.2012 zu entscheiden hatte (Az.: 8 AZR 285/11) ist schnell erzählt:

Ein Arbeitgeber suchte Mitarbeiter „zwischen 25 und 35“. Ein 53-Jähriger bewarb sich und wurde nicht mal eingeladen. Er machte einen Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG geltend, weil die Stellenausschreibung ein Indiz dafür darstelle, dass der Arbeitgeber nur Mitarbeiter innerhalb eines bestimmten Alterskorridors einstellen wolle, zu dem er eindeutig nicht gehöre. Er sei dadurch diskriminiert wegen seines Alters. Der Arbeitgeber trug vor, dass die Stelle gar nicht besetzt worden sei. Überdies sei der Kläger für die Stelle objektiv nicht geeignet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es den Kläger für objektiv ungeeignet hielt.

Das LAG hat die Berufung des Klägers abgewiesen, weil die Stelle gar nicht besetzt worden war. Das LAG führte aus, dass eine Entschädigung nur dann gefordert werden kann, wenn eine Benachteiligung vorliegt. Eine Benachteiligung liege nur dann vor, wenn der Bewerber objektiv für die Stelle geeignet ist. Nur dann sei er mit den anderen Bewerbern vergleichbar. Weiterhin müsse die Stelle aber auch besetzt worden sein, denn, so das LAG, ohne Stellenbesetzung sei ja gar keine Benachteiligung möglich. Im Vergleich zu wem sollte der Kläger ungünstiger behandelt worden sein? Das LAG hat daher gar nicht geprüft, ob der Kläger objektiv für die Besetzung der Stelle geeignet war. Es hat die Klage schon deshalb abgewiesen, weil die Stelle nicht besetzt worden war.

Der Kläger legte Revision beim Bundesarbeitsgericht ein und hatte Erfolg. Es hob das Berufungsurteil des LAG auf und verwies den Sachverhalt zur erneuten Verhandlung und Tatsachenermittlung an das LAG zurück. Das LAG muss nun prüfen, ob der Kläger objektiv für die Stelle geeignet war.

Das Bundesarbeitsgericht war der Ansicht, dass die fehlende Besetzung der Stelle den Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG nicht zerstört. Der Kläger ist schon deshalb benachteiligt worden, weil man ihm gar nicht die Chance gab, sich vorzustellen. Im Moment liegt nur die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vor. Die Begründung muss noch genau analysiert werden. Es stellt sich nämlich die Frage, wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hätte, wenn der Kläger wirklich zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden wäre und der Arbeitgeber dann sowohl ihn als auch alle anderen Bewerber abgelehnt hätte und die Stelle unbesetzt geblieben wäre.

Derzeit ist nur so viel sicher: Eine Stellenausschreibung mit einem Alterskorridor stellt ein Indiz für eine Altersdiskriminierung dar. Bewirbt sich ein Arbeitnehmer, der sich außerhalb des Korridors (d.h. älter oder jünger) befindet, muss er nachweisen, dass er objektiv geeignet ist. Gelingt ihm das, kann er auch bei fehlender Besetzung der Stelle dann einen Entschädigungsanspruch geltend machen, wenn man ihn nicht mal zum Vorstellungsgespräch eingeladen hat.

Arbeitgebern ist zu raten, sich streng daran zu halten, was das AGG vorschreibt. Stellenanzeigen dürfen keinen diskriminierenden Inhalt haben. Arbeitnehmer, die sich auf diskriminierende Stellen bewerben, werden nur dann erfolgreich einen Entschädigungsanspruch geltend machen können, wenn man ihren Bewerbungsunterlagen ansieht, dass sie es ernst gemeint haben. D.h. auch, dass die objektive Eignung für diese Stelle gegeben ist.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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