4 Nov
2013

Vorgesetzter fordert mehrere Mitarbeiter auf, „krank zu machen“ – Vorgesetzter wird gekündigt

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat am 30.1.2013 (Az.: 6 Sa 944/12) darüber zu entscheiden gehabt, ob ein Filialleiter zu Recht eine fristlose Kündigung bekam, weil er einen Mitarbeiter dazu anstiftete, sich krank schreiben zu lassen.

Der Filialleiter einer Bank  war offensichtlich besessen von dem Gedanken, dass es  in der von ihm betreuten Filiale eine erhebliche Schadstoffbelastung gab. Immer wieder sprach er seine Mitarbeiter darauf an – mehrmals am Tag aber auch zur Nachtzeit und sonst privat behelligte er seine Mitarbeiter mit der für ihn feststehenden Tatsache, dass die Filiale so stark schadstoffbelastet sei, dass man davon krank werde. Einige Mitarbeiter fühlten sich durch die Schadstoff-Obsession ihres Filialleiters stark psychisch unter Druck gesetzt. Der Filialleiter selbst war sehr oft krank. Offensichtlich litt er tatsächlich. Aber auch andere Mitarbeiter der Filiale waren oft krank. Sie wurden zum Teil sogar notärztlich untersucht und behandelt. Der Arbeitgeber wurde natürlich als fürsorglicher Arbeitgeber hellhörig. Er schaltete den Betriebsarzt, den Betriebsrat und den Bereich Arbeitssicherheit ein, um eine mögliche Schadstoffbelastung oder sonstige Gesundheitsgefährdung zu untersuchen. Man fand keine Schadstoffe oder sonst auffälligen Messwerte. Daraufhin gab der Filialleiter selbst ein Gutachten in Auftrag, das zu einem anderen Ergebnis kam. Der Arbeitgeber seinerseits schaltete den TÜV ein, der überhaupt keine biologischen oder chemischen Gefahrstoffe nachweisen konnte. Doch wo kamen die vielen Kranken in dieser Filiale her? Der Arbeitgeber ermittelte weiter. Es stellte sich dabei heraus, dass der Filialleiter auf die Mitarbeiter eingewirkt habe. Er habe ihnen gesagt, dass man, wenn die Schadstoffbelastung nachgewiesen werden soll am besten mit einer (fast) menschenleeren Filiale und vielen Krankheitsfällen aufwartet. Er schickte seine Mitarbeiter praktisch in die Krankheit, damit seine These von der Schadstoffbelastung besser trägt.

Als dies ermittelt war, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Arbeitgeber sah es als erwiesen an, dass der Filialleiter durch die Anstiftung zur Krankschreibung zu einem Entgeltfortzahlungsbetrug angestiftet hat. Wenn man nämlich gar nicht krank ist aber dem Arbeitgeber vorgaukelt, man wäre krank und der bezahlt daraufhin das Gehalt fort, so ist das ein Betrug im strafrechtlichen Sinne.

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Recht bekam also der Arbeitgeber. Die Revision ist nicht zugelassen. Das LAG folgte der Rechtsansicht des Arbeitgebers. Es stellt einen schweren Pflichtverstoß dar, wenn ein Vorgesetzter seine Mitarbeiter dazu anstiftet, sich krank schreiben zu lassen, obwohl er gar keine Anhaltspunkte dafür hat, das die Leute auch wirklich krank sind. Das LAG hat weiter ausgeführt, dass es auch keine Rolle spielt, wenn die betreffenden Personen nachweisbar wirklich krank waren. Es kommt nämlich auf den Vorsatz des Fillialleiters an: Der nahm billigend in Kauf, dass die Mitarbeiter nicht krank sind und dass dann ein Betrug begangen wird. In dem Fall, dass ein Mitarbeiter wirklich krank war, handelt es sich immer noch um eine schwerwiegende Vertragsverletzung, die zur fristlosen Kündigung berechtigte.

Etwas anderes gilt natürlich, wenn ein Vorgesetzter objektive Anhaltspunkte dafür hat, dass ein Mitarbeiter wirklich krank ist. Dann darf er ihn natürlich zum Arzt schicken und muss es aufgrund seiner Fürsorgepflicht sogar.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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