17 Sep
2014

Zeugnis-Basar – Verzicht auf Klage gegen gutes Zeugnis

Dass ich kein Fan von Zeugnissen bin, habe ich hier schon mehrfach betont. Qualifizierte Zeugnisse sind großer Humbug. Was dort drin steht, glaubt in der Regel kein Mensch – also zumindest keiner, der mit der Entscheidung über die Einstellung oder Nicht-Einstellung von Arbeitnehmern zu befinden hat. Personaler schauen in der Regel ob die im Zeugnis angegebenen Tätigkeiten und die Daten mit denen im Lebenslauf übereinstimmen. Insofern ist ein einfaches Zeugnis wahrscheinlich ehrlicher als ein qualifiziertes. Dennoch wird am Zeugnis festgehalten und in einem grotesken Ritual über den Inhalt der Zeugnisse verhandelt. Weil sie aber so einen hohen Wert für Arbeitnehmer haben (die oft die Einzigen sind, die den Inhalt des Zeugnisses für bare Münze nehmen, wenn er nur blumig und hervorragend genug ist), eignen sich Zeugnisse als „geldwerter Vorteil“ für den Arbeitgeber bei Verhandlungen um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Das hatte in dem Fall, den das LAG Niedersachsen durch Urteil vom 27.3.2014 (5 Sa 1099/13) entschieden hat, sogar eine so große Bedeutung, dass das Bestehenbleiben eines Abwicklungsvertrages davon abhing.

Ein Fleischer war betriebsbedingt gekündigt worden. Der Arbeitgeber bot ihm in einem Abwicklungsvertrag ein Zeugnis mit der Note gut an, wenn er im Gegenzug auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten würde. Eine Abfindung war nicht vereinbart. Der Arbeitnehmer unterschrieb den Abwicklungsvertrag und überlegte es sich ein paar Tage später anders. Er widerrief den Vertrag und erhob Kündigungsschutzklage. Er trug vor, der Abwicklungsvertrag benachteilige ihn unangemessen, weil er für den Verzicht auf die Kündigungsschutzklage keine angemessene Gegenleistung enthielte. Das sahen die Richter jedoch anders. Zwar sei es richtig, dass ein Abwicklungsvertrag dann unwirksam ist, wenn er den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall, denn das „gute“ Zeugnis habe einen Gegenwert für den Arbeitnehmer. Anders als das LAG Berlin. Brandenburg hielt nämlich das LAG Niedersachsen an der bisherigen Rechtsprechung des BAG fest und nahm an, dass ein durchschnittliches Zeugnis eben ein vollbefriedigendes Zeugnis ist und damit ein Zeugnis mit Note „gut“ ein überduchschnittliches. Somit hätte den Fleischer die volle Beweislast darüber getroffen, dass er auch wirklich „gute“ Leistungen erbracht habe. Das hätte er aber im Prozess nicht in ausreichendem Maße vorgetragen und somit auch nicht bewiesen. Das gute Zeugnis hätte er sich also nicht wirklich erstreiten können. Den Prozess um das gute Zeugnis hätte er verloren und dann in der ersten Instanz die eigenen Anwaltskosten und in der zweiten Instanz die Kosten für beide Anwälte nebst Gerichtskosten zu berappen gehabt. Der Abwicklungsvertrag enthielte somit eine angemessenen Gegenleistung, da er ihm das alles ersparen wollte.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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