7 Mrz
2011

Vertragsstrafeklausel scheitert an Höhe der Strafe

von Dr. Sandra Flämig – Rechtsanwalt – Fachanwältin für Arbeitsrecht – Stuttgart

Vertragsstraferegelungen finden sich in zahlreichen Arbeitsverträgen. Arbeitsverträge sind in der Regel vom Arbeitgeber vorformuliert und werden daher wie Allgemeine Geschäftsbedingungen behandelt. D.h. sie werden auch an dem gesetzlichen Maßstab für Allgemeine Geschäftsbedingungen gemessen. Die gesetzliche Regelung dazu befindet sich in den §§ 305 ff. BGB. Jedoch sind immer die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Und so kommt es, dass grundsätzlich Vertragsstrafereglungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwar verboten sind, aber aufgrund der Besonderheiten im Arbeitsrecht sind sie in Arbeitsverträgen erlaubt.

Soweit so eindeutig.

Jedoch kann auch eine Vertragsstrafereglung in einem Arbeitsvertrag unwirksam sein, wenn sie den Arbeitnehmer „unangemessen benachteiligt“. Was das nun ist, hat die Rechtsprechung entwickelt. Eine unangemessene Benachteiligung entsteht vor allem durch die Höhe der Vertragsstrafe. So kann eine zu hohe Strafe die ganze Klausel „kaputt machen“. Es besteht in der Regel auch keine Möglichkeit, an Stelle der zu Hohen Strafe eine angemessene festzusetzen. Die Regel lautet: einmal zu hoch gegriffen – Klausel unwirksam.

 

In einem kürzlich vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ist genau das passiert (BAG Urt. v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08):

Ein Arbeitnehmer hatte sich in dem Arbeitsvertrag verpflichtet eine Vertragsstrafe von einem Bruttogehalt zu bezahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis in rechtswidriger Weise vorzeitig beendet.

Die Klausel lautete wie folgt:

§ 4. Vertragsstrafe. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, eine Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen Bruttomonatsvergütung (ohne Überstunden- und sonstige Zuschläge) zu zahlen, wenn er das Anstellungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet. Das gleiche gilt, wenn das Anstellungsverhältnis durch außerordentliche Kündigung durch die Firma beendet wird, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für diese Kündigung gesetzt hat. Die Firma ist berechtigt, einen weitergehenden Schadensersatzanspruch geltend zu machen. (aus BAG 8 AZR 897/08)

Es war auch eine Probezeit vereinbart, innerhalb der beide Seiten das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 2 Wochen kündigen konnten. Nach der Probezeit sollte eine Kündigungsfrist von 12 Wochen zum Monatsende gelten. Der Arbeitnehmer kündigte lange nach Ablauf der Probezeit fristlos. Diese fristlose Kündigung war unstreitig rechtswidrig, d.h. der Arbeitnehmer hatte keinen wichtigen Grund und hätte sich eigentlich an die ordentliche Kündigungsfrist von 12 Wochen zum Monatsende halten müssen. Der Arbeitgeber sah also die Vertragsstrafe als verwirkt an und klagte das eine Monatsgehalt ein.

Der Arbeitgeber verlor in allen Instanzen. Das BAG hat zuletzt festgestellt, dass die Klausel unwirksam ist, weil die Vertragsstrafe mit einem Bruttogehalt zu hoch war und daher den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligte. Das BAG hat bisher immer eine Vertragsstrafe in Höhe des Verdienstes, der bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist angefallen wäre als angemessen angesehen. Daran hält es fest.

Doch im vorliegenden Fall sollte die Strafe von einer Monatsvergütung sowohl für die vertragswidrige Kündigung in der Probezeit als auch für die vertragswidrige Kündigung nach der Probezeit gelten. D.h. der Arbeitnehmer hätte in der Probezeit nur 2 Wochen Kündigungsfrist gehabt aber ggf. eine Monatsvergütung Vertragsstrafe zahlen müssen.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun gesagt, es kommt nicht darauf an, dass die Probezeit schon lang abgelaufen ist und die Höhe der Strafe den Arbeitnehmer, gemessen an der 12 wöchigen ordentlichen Kündigungsfrist, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr unangemessen benachteilige. Es kommt für die Frage der Wirksamkeit der Klausel vielmehr auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Zu diesem Zeitpunkt war die Klausel unangemessen.

Die Klausel war auch nicht teilbar in einen wirksamen und in einen unwirksamen Teil. Die Strafe sollte für jede vertragswidrige Kündigung zu jedem Zeitpunkt gelten. Man konnte die Strafe auch nicht in der Höhe anpassen, denn eine sogenannte „geltungserhaltende Reduktion“, also das eindampfen auf einen wirksamen Rest, ist nicht möglich.

Der Arbeitgeber schaute also in die Röhre.

Arbeitgeber sollten Vertragsstrafen entweder erst für die Zeit nach der Probezeit vereinbaren oder für die Probezeit und die Zeit danach Strafen in jeweils angemessener Höhe. Diese Klauseln sollten im Vertrag aus in zwei Blöcken drucktechnisch voneinander getrennt werden, um sicher zu gehen, dass man sie ggf. auch teilen könnte.

Arbeitnehmer, die sich einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe ausgesetzt sehen, sollten immer prüfen lassen, ob nicht vielleicht die Höhe der Strafe zur Unwirksamkeit der Klausel führt.

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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