10 Mai
2010

Verhaltensbedingte Kündigung – Einigung im Maultaschenfall

von Dr. Sandra Flämig – Rechtsanwalt – Fachanwältin für Arbeitsrecht – Stuttgart

Im sogenannten Konstanzer Maultaschenfall haben sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg doch noch geeinigt. Eine Arbeitnehmerin (58 J.) hatte nach Dienstschluss 6 Maultaschen im Wert von 3-4 Euro mitgenommen. Der Arbeitgeber hatte ihr daraufhin fristlos gekündigt. Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage. Sie verlor vor dem Arbeitsgericht, das der Rechtsprechung des BAG die Treue gehalten hatte und auch bei einer solchen Bagatelle kein pardon kannte. Das LAG wiederum hätte die Arbeitnehmerin gewinnen lassen. Es war nämlich der Ansicht, dass in diesem Fall eine Abmahnunggenügt hätte.

Die Parteien haben sich aber nun doch geeinigt:

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Die Arbeitnehmerin bekommt nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit 25.000 Euro Abfindung und noch 17.500 Euro Gehaltsnachzahlungen.

Das sind die nackten Fakten. Einen Job hat die Arbeitnehmerin damit aber nicht mehr und auch die Abfindung, die komplett versteuert werden muss, wird bald aufgebraucht sein. Ganz zu schweigen von der Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, die sie bestimmt auch bekommen wird. Schließlich hat sie an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt und der Tatbestand des Maultaschendiebstahls ist unstreitig.

Warum es trotzdem zum Vergleich gekommen ist, wissen wir nicht. Aus der Erfahrung lässt sich aber sagen, dass das Arbeitsverhältnis gewiss schon längere Zeit nicht mehr störungsfrei verlief und das Vertrauensverhältnis schon ganz gewaltige Schrammen abbekommen hatte. Wenn das auch der Arbeitnehmerin klar gewesen ist, dann ist der Vergleichsschluss nachvollziehbar.

Man muss sich nur einmal klarmachen, dass unter normalen Umständen (d.h.: Alles in Butter. Chef und Mitarbeiter können gut miteinander.) kein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer fristlos rauswerfen wird, weil er 6 Maultaschen, die kein Mensch mehr haben will, mit nach Hause genommen hat. So etwas tut man nur dann, wenn alles andere schwierig werden würde. Bei einer Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren und einem Alter von 58 Jahren, hört man diesbezüglich die Nachtigall gewaltig trappsen. Einer solche Mitarbeiterin ist nur schwer zu kündigen. Da braucht man schon habhafte Gründe. Und die hat man ja, zumindest nach der immer noch geltenden Rechtsprechung des BAG, beim Diebstahl immer. Auch wenn der Wert der geklauten Sache noch so gering ist.

Doch zurück zum rein Juristischen. Ich bin immer noch der Ansicht, dass Klauen im Arbeitsverhältnis – bei aller Liebe und allem Verständnis für die menschlichen Schwächen – nicht geht. Es gehört zu den absoluten „no go´s“ im Arbeitsverhältnis. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG die fristlose verhaltensbedingte Kündigung in Fällen des Diebstahls (strafrechtlich gesehen) geringwertiger Sachen, auch weiterhin für zulässig erachtet und nicht aufweicht. Im Fall Emmely wird es eine Entscheidung des BAG dazu geben.

Das Arbeitsrecht ist kein Strafrecht. Eine Kündigung ist keine Strafe, auch wenn das vom Arbeitnehmer vielleicht so empfunden wird. Mit Geringwertigkeitsgrenzen fangen wir hier wenig an. Es geht um Vertrauen und Respekt im Umgang miteinander. Wie sollte man denn eine Bagatellgrenze ziehen? Wie oft soll ein Arbeitnehmer klauen dürfen bis eine Kündigung gerechtfertigt ist? Und nebenbei: Wie würde es einem Arbeitnehmer gefallen, wenn sich der Chef auf dem Weg zur Kantiene bei ihm am Geldbeutel bedient, um sich ein Brötchen zu kaufen? Bei Diebstahl brauchen wir also nach wie vor die klare Kante: Wer klaut, fliegt.

Der Tipp für Arbeitnehmer kann also nur lauten: Finger weg von fremdem Eigentum! Sollte beim Buffet nach der Kundenveranstaltung etwas übrig bleiben oder sollten man sonst Interesse an Gegenständen haben, die dem Arbeitgeber gehören, fragt man, ob man es mitnehmen kann und wenn man das „o.k.“ hat, kann man es nehmen. Solche einfachen Dinge gehören eigentlich in den Elementarbereich, d.h. sollte jede/r schon gelernt haben, bevor er das Wort „Maultasche“ fehlerfrei aussprechen kann. Aber das nur nebenbei…

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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