21 Okt
2013

Unzulässig: Streikaufruf über das Intranet des Arbeitgebers

Darf ein Gewerkschaftsmitglied, das gleichzeitig stellvertretender Betriebsratsvorsitzender ist, über das Intranet des Arbeitgebers die Kolleginnen und Kollegen zu einem Warnstreik aufrufen? Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit dieser Frage zu befassen und in seinem Beschluss vom 15.10.2013 (Az.: 1 ABR 31/12; derzeit nur Pressemitteilung Nr. 62/13) dazu Stellung genommen. Vorinstanz war das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (7 TaBV 1733/11, Beschluss vom 31.1.2012)

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:

Der Arbeitgeber betreibt ein Krankenhaus in Berlin mit über 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wie viele andere Arbeitgeber auch, hat dieser Arbeitgeber strenge Regeln zur Nutzung des Intranets aufgestellt. Es darf nur für dienstliche Zwecke genutzt werden. Das Betriebsratsmitglied hat bei dem Arbeitgeber 2 Emailaccounts: einen personenbezogenen (Vorname.Nachname@Arbeitgeber.de) und einen funktionsbezogenen als Betriebsratsmitglied. Die Emailkorrespondenz führen die Betriebsratsmitglieder in Gremienangelegenheiten und in sonstigen dienstlichen Angelegenheiten aber immer über den personenbezogenen Account und nicht über den Account des Betriebsrates.

Mit dem Arbeitgeber bzw. mit dem Konzern, zu dem der Arbeitgeber gehört, hatten 2011 Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di stattgefunden. Im Rahmen dieser Verhandlungen wollte die Gewerkschaft einen Warnstreik bei dem Arbeitgeber durchführen.

Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, der auch Mitglied bei ver.di ist, verfasste einen Streikaufruf und versendete ihn über seinen personenbezogenen Emailaccount im Intranet des Arbeitgebers. Er unterschrieb die Mail mit „Für die ver.di-Bezirksgruppe“ und seinem Namen. Des Weiteren hatte er die dienstlichen Durchwahlnummern des Betriebsratsvorsitzenden und seine dienstliche Durchwahlnummer sowie die privaten Handynummern an.

Der Arbeitgeber war über das Vorgehen des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden verständlicherweise erzürnt und hielt dieses Vorgehen für einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot des § 74 Abs. 2 BetrVG, in dem es heißt:

“ ….(2) Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind unzulässig; Arbeitskämpfe tariffähiger Parteien werden hierdurch nicht berührt. Arbeitgeber und Betriebsrat haben Betätigungen zu unterlassen, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebs beeinträchtigt werden. Sie haben jede parteipolitische Betätigung im Betrieb zu unterlassen; die Behandlung von Angelegenheiten tarifpolitischer, sozialpolitischer, umweltpolitischer und wirtschaftlicher Art, die den Betrieb oder seine Arbeitnehmer unmittelbar betreffen, wird hierdurch nicht berührt. ….“

Der Arbeitgeber wollte dem Betriebsratsmitglied aufgrund dieser Vorschrift diese Art von Handlungen (Nutzung von Sachmitteln des Arbeitgebers zum Streikaufruf) untersagen und machte einen Unterlassungsanspruch geltend. Der Betriebsrat meinte, es sei zwar nicht ganz in Orndnung gewesen, die Durchwahlnummern anzugeben aber im Übrigen habe er nicht in seiner Eigenschaft als Betriebsrat sondern als einfacher Mitarbeiter und Gewerkschaftsmitglied gehandelt und als solches habe er ein Grundrecht auf Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG und dürfe zum Streik aufrufen.

Der Arbeitgeber bekam in allen 3 Instanzen Recht. Das Bundesarbeitsgericht sah zwar nicht das Neutralitätsgebot verletzt, wie noch das LAG Berlin-Brandenburg aber es nahm einen Verstoß gegen § 1004 Abs. 1 BGB an, in dem es heißt:

„Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“

Der Arbeitgeber kann vom Störer (in diesem Fall der stellv. Betriebsratsvorsitzende) verlangen, dass er die Beeinträchtigung seines Eigentums unterlässt. Es sei unerheblich, so das BAG, ob dem Arbeitnehmer der dienstlichen Zwecken vorbehaltene  Intranetzugang als Betriebsrat oder davon unabhängig zur Verfügung gestellt wurde. Es sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, es zu dulden, dass mit seinem Eigentum zu einem Warnstreik in einem Streit zwischen ihm und der Gewerkschaft aufgerufen wird. Er muss es nicht dulden, dass sein Eigentum als Werkzeug im Arbeitskampf benutzt wird und dass er damit einen Kampf gegen sich selbst unterstützt. Der Betriebsrat hätte auf andere Mittel der Information zurückgreifen müssen.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

Sandra Flämig hat 4,99 von 5 Sternen 171 Bewertungen auf ProvenExpert.com