Letzte Woche stellte mir ein Fernsehjournalist sinngemäß folgende Frage:
„Teilen Sie meinen Eindruck, dass Unternehmen mit Hilfe der Verdachtskündigung versuchen, unliebsame Mitarbeiter loszuwerden, indem sie ihnen Diebstahl vorwerfen?“
Ich fand diese Frage, noch mehr aber die genaue Wortwahl dieser Frage sehr interessant. Hier meine Überlegungen dazu:
Das ist ein sehr weites Feld.
Fakt ist, dass die Mehrzahl aller Kündigungsschutzprozesse mit einem das Arbeitsverhältnis beendenden Vergleich gegen Zahlung einer Abfindung und Erteilung eines guten Zeugnisses enden. Das hat weniger juristische als vielmehr faktische/psychologische und „chemische“ Gründe. Es gibt keinen Kündigungsschutz – also Schutz vor dem Erhalt einer Kündigung, denn die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die ein Teil nur in den Machtbereich des Empfängers bringen muss. Man kann sich dagegen nicht wehren. Man hat aber schon gar keinen echten und nachhaltigen Schutz davor, seinen Job zu verlieren. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Es geht in der Regel nur darum, dass man mit Hilfe all der vielen Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer möglichst viel Drohgebärde für den Arbeitgeber aufbaut, damit der recht tief in die Tasche greift. Das hat was von einer rituellen Handlung. Einfacher wäre es wahrscheinlich, wenn man kündigen könnte, wie man wollte aber dann in jedem Fall eine gesetzlich definierte Abfindung zahlen müsste.
Doch zurück zur Frage, ob Unternehmen mit Hilfe der Verdachtskündigung versuchen, unliebsame Mitarbeiter loszuwerden, in dem sie ihnen Diebstahl vorwerfen:
So einfach ist das mit der Verdachtskündigung auch nicht, wie man sehen kann, wenn man den entsprechenden Artikel in meinem Lexikon liest. Das Schlüsselwort in der Frage des Journalisten ist „unliebsam“ und da sind wir bei Chemie und Psychologie und die „arme“ und für diese Zwecke völlig unzureichende Juristerei soll dabei helfen, sich die Dinge, die wirklich interessant wären, nicht anschauen und ausräumen zu müssen. Was dann passiert ist das bekannte Gemetzel vor Gericht – einem Schauplatz der Vermeidungsstrategie. Es zeigt sich eben leichter mit dem Finger auf andere als bei sich selbst zu schauen. Das gilt für beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Die Frage ist doch eigentlich:
„Was macht den Menschen zu einem „unliebsamen Mitarbeiter“?“
Diese Frage ist wirklich interessant – m.E. ist das die existenziell wichtige Frage. Wenn man der mal intensiv nachgeht auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, gewinnt man Klarheit über juristisch handhabbare Fakten und die psychologischen Untiefen des Falles.
Ich kann nicht sagen, dass besonders die Verdachtskündigung dazu benutzt wird, „unliebsame Mitarbeiter“ wegzubekommen. Die auf dem dringenden Verdacht eines massiven Vertragsverstoßes beruhende Verdachtskündigung ist nur einer von vielen Kündigungsgründen. Und es gibt sie, die Fälle, in denen der Arbeitgeber so die Nase voll hat von einem Arbeitnehmer (egal ob das nun berechtigt ist oder nicht), dass er beginnt, einfach mal drauflos zu kündigen. Es kostet dann zwar Geld aber „Weg isser der Unliebsame“ Noch „schöner“ ist es natürlich für alle Beteiligten aber insbesondere für den Arbeitnehmer, wenn eine verhaltensbedingte Kündigung zurückgenommen wird. Er kann sich sicher sein, dass der AG nun ein wachsames Auge auf ihn haben wird. „Gewonnen“ heißt für den Arbeitnehmer dann rein faktisch „Verloren“ (Nerven auf jeden Fall).
Aus meiner Sicht ist es also ein Alarmsignal für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn die Vokabel „unliebsamer Mitarbeiter“ im Raum steht. Dem sollte man sich stellen. Wenn man das tut, hat man zum einen die Chance, alte Fehler in Zukunft zu vermeiden und vielleicht sogar wieder zusammen zu arbeiten. Mindestens aber hat man die Chance, dass es beim nächsten Arbeitgeber/Arbeitnehmer nicht wieder so passiert.
Aber dazu müsste man erwachsen werden (wollen) und bereit sein, Verantwortung für sich selbst und sein Handeln zu übernehmen und das ist nicht leicht ….
Was kann ich als Anwältin tun, wenn das Thema „unliebsam“ auf meinen Tisch kommt (in Gestalt des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers)? Meist kommt es in Gestalt eines vordergründigen Problems, zum Beispiel einer Verdachtskündigung (siehe Frage des Journalisten). Dann ist es relativ schnell getan mit der Analyse der juristischen Fakten und einer Strategie. Dann beginnt der wichtigere, schwierigere und Mut (vom Mandanten und Berater) erfordernde Teil der Arbeit und die kann am besten durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Anwalt und Coach/Therapeut erledigt werden. Jetzt nämlich beginnt die Ursachenforschung und Reflexion. Jetzt wird das Fundament gebaut, auf dem man in Zukunft sein berufliches/privates Haus bauen kann und wenn man es richtig macht, dann hält das Fundament auch.