18 Mai
2009

Umgekehrte betriebliche Übung – und Tschüss Weihnachtsgeld?

von Dr. Sandra Flämig: Rechtsanwalt – Fachanwältin für Arbeitsrecht Stuttgart

Die Krise mal wieder. In der Krise könnte mancher Arbeitgeber auf die Idee kommen, bisher gewährte Sonderzahlungen, die durch betriebliche Übung entstanden sind, durch Erzeugung einer umgekehrten betrieblichen Übung elegant zu streichen. Verständlich ist das, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht. Nur: geht das und was ist denn überhaupt eine betriebliche Übung geschweige denn eine umgekehrte betriebliche Übung?

Eine b.Ü. entsteht, wenn der Arbeitgeber mindestens dreimal hintereinander eine Leistung gewährt, ohne dazu zu sagen, dass diese freiwillig ist und das darauf kein Anspruch entsteht. D.h. dreimal hintereinander 500 Euro Weihnachtsgeld/Urlaubsgeld o.ä. und der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf.

Bis zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts am 18.3.2009 (10 AZR 281/08) war es zulässig, eine umgekehrte betriebliche Übung zu erzeugen, mit der man die betriebliche Übung wieder neutralisieren konnte.

Das geht so nicht, sagt nun auch das BAG, denn „Schweigen als Zustimmung“ zu einer verschlechternden Regelung war schon immer bedenklich. In der zitierten Entscheidung hatte ein Arbeitgeber jahrelang ohne Kommentar Weihnachtsgeld gezahlt. Es war eine betriebliche Übung entstanden. Ab 2002 hat der Arbeitgeber die Zahlung mit dem Vermerk versehen, dass es sich bei der Zahlung um eine freiwillige Leistung handele, auf die kein Rechtsanpruch bestehe. Bisher wäre dadurch eine umgekehrten betrieblichen Übung entstanden und der Arbeitnehmer hätte seinen Anspruch auf Weihnachtsgeld verloren.

Dass dies den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und daher unrechtmäßig ist, war in der juristischen Fachliteratur schon lange klar. Nun hat auch das BAG nachgezogen: Die Erzeugung einer umgekehrten betrieblichen Übung durch dreimaliges Zahlen unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit und unter dem Hinweis darauf, dass kein Rechtsanpruch auf die Zahlung besteht, ist NICHT mehr möglich.

Arbeitgeber sind daher in wirtschaftlich schlechten Zeiten bei derartigen Fällen entweder auf die Kooperation ihrer Mitarbeiter angewiesen oder müssen in den saueren Apfel der Änderungskündigung beißen. Beides ist nicht prickelnd für beide Seiten. Ich gebe jedoch zu bedenken, dass die „Schneewittchen-Methode“, nach der jeder ein bisschen was abgibt, damit nicht einer alles verliert, nicht die schlechteste ist.

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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