26 Nov
2012

Trennungsmanagement im Arbeitsrecht: Faire Lösung, wenn die „Chemie“ nicht mehr stimmt

Was tut man als Arbeitgeber, wenn man einem Mitarbeiter rein juristisch betrachtet nichts vorzuwerfen hat, aber glaubt, sich von dieser Person trennen zu müssen, weil

– er nicht in das Team passt und alle Versuche von Coaching, Teambildung & Co schon fehlgeschlagen sind

– die Kollegen/Mitarbeiter des Betreffenden sich nur noch auf den (aus ihrer Sicht) Ärger mit dem (aus ihrer Sicht) „Problemfall“ konzentrieren und ihre Arbeit nicht mehr machen, was das Unternehmen viel Geld kostet

– es keine Möglichkeit der Versetzung gibt, weil die betreffende Person eine Führungskraft / ein leitender Angestellter ist und eine Versetzung auf dieser Hierarchieebene sachlich nicht möglich ist oder weil die betreffende Person im Unternehmen schon „verbrannt“ ist, weil schon einige Versuche, sie anderswo einzusetzen fehlgeschlagen sind

– einzelne Mitarbeiter schon gedroht haben, zu gehen „Wenn der nicht, dann wir.“ und diese Drohung bald in die Tat umsetzen werden

– man „den“ einfach nicht (mehr) leiden kann und schon die „Krise bekommt“, wenn man „den“ nur sieht

– man das Vertrauen in seinen leitenden Angestellten/seine Führungskraft verloren hat (aber dieser Vertrauensverlust nicht justiziabel ist)

– ….. etc.

Beim Arbeitgeber und bei den Kollegen entsteht dann ein Gemisch an negativen Emotionen aus Ohnmacht, Hilflosigkeit und Wut, die sehr schnell in einer Mobbingsituation enden können: Man versucht, den Kollegen bzw. den Mitarbeiter irgendwie loszuwerden und es werden die fiesen Werkzeuge aus dem Giftschrank geholt (Ignoranz, Gerüchte, Verleumdung, Entzug von Arbeitsaufgaben, Lästern, Anschreien etc.). Für den betroffenen Kollegen ist das der Punkt, an dem er krank wird, seinerseits Wut bekommt und sich ohnmächtig und hilflos fühlt. Sowohl für den Arbeitgeber als auch für den betroffenen Arbeitnehmer ist diese Situation unerträglich.

Es bietet sich daher für Arbeitgeber an, schon weit vorher zu erkennen, dass man mit einem bestimmten Mitarbeiter nicht mehr zusammenarbeiten kann/will und sich dann zu überlegen, wie man eine faire Lösung für beide Seiten finden kann. Ein gutes Trennungsmanagement ist also gefragt.

Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie sich mit Hilfe anwaltlicher Beratung nicht nur die eigenen juristischen Möglichkeiten aufzeigen lassen sondern auch die des Mitarbeiters.

Fragen, die der Arbeitgeber im Rahmen des Trennungsmanagements beantworten  muss, sind beispielsweise:

– Gibt es einen Kündigungsgrund?

– Welche Möglichkeiten einer Änderungskündigung gibt es?

– Gilt im Unternehmen überhaupt das Kündigungsschutzgesetz?

– Welche Kündigungsfristen hat der Mitarbeiter?

– Wie lang ist er schon im Unternehmen beschäftigt?

– Hat er Sonderkündigungsschutz (Bsp.: Schwerbehinderung, Schwangerschaft, Elternzeit, …)

– Welche Erfolgsaussichten hätte eine Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters?

– Was kostet den Mitarbeiter eine solche Klage?

– Wie kann der Mitarbeiter seine berufliche Zukunft gestalten?

– Hat der Mitarbeiter Familie (Ehepartner, Kinder, pflegebedürftige Angehörige)?

– Wie gut sind die Erfolgsaussichten für den Mitarbeiter, einen neuen und adäquaten Job zu finden?

etc.

Nur wer neben der eigenen rechtlichen Ausgangssituation auch die Sichtweise und juristischen Karten seines Mitarbeiters verstanden hat, wird ihm ein Angebot machen können, das dieser auch anzunehmen bereit ist. Mit einem Abfindungsangebot ist es bei weitem nicht getan.

Es kann

– Zeit sein (bezahlte Zeit), die der Mitarbeiter braucht

– oder ein Outplacement

– oder ein Coaching

– oder eine sinnvolle Sprachregelung

– oder gute Referenzen

– oder alles zusammen.

Vor allem aber braucht der Mitarbeiter Wertschätzung und Verständnis und der Arbeitgeber einen kühlen Kopf und eine totale Versachlichung der Problematik, damit er seine Chancen und Risiken gut abwägen kann, ohne dass ihm seine eigenen Emotionen dabei im Weg sind. Ein gutes Trennungsmanagement hat all das im Blick. Es öffnet für den Arbeitnehmer neue Perspektiven, die eine Lösung vom Arbeitgeber leichter machen und führt durch sachliche, juristische Beratung des Arbeitgebers, die beide Sichtweisen berücksichtigt, zu außergerichtlichen Lösungen. Trennungsmanagement bedeutet also auch Nachhaltigkeit.

Mit der Brechstange kann man sich sicherlich auch trennen. Dies geschieht leider sehr oft. Aber das ist nicht das Mittel der Wahl. Der Imageschaden für das Unternehmen nach innen und außen, der emotionale, wenn nicht sogar gesundheitliche Schaden beim scheidenden und bei den bleibenden Mitarbeitern ist einfach zu groß. Dies wird beim der Methode „Brechstange“, die ggf. auf den ersten Blick kostengünstiger ist, nicht mit „eingepreist“. Hinzu kommt, dass auch ein oder mehrere Kündigungsschutzprozesse (bei der Methode „Brechstange“ nicht selten) sehr viel Zeit und Energie und noch mehr Geld kosten, noch dazu wenn man sie als Arbeitgeber verliert, weil man keinen Kündigungsgrund hat (siehe oben). Das ist alles unnötig und unsinnig.

Fazit: Der Wunsch, sich von einem Mitarbeiter oder einer Führungskraft zu trennen ist normal. Es ist auch normal, dass sich dieser Wunsch nicht an das Kündigungsschutzgesetz hält. Faire Lösungen, die neben der Gesundheit/Reputation/Zukunft des betreffenden Mitarbeiters auch die wirtschaftliche Situation und das Image des Unternehmens im Blick haben, können gefunden werden, wenn man sich möglichst frühzeitig anwaltlicher Hilfe bedient und auch die angrenzenden Berufsgruppen (Outplacementberater, Coachs etc.) zu Rate zieht.

 

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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