Bonusregelungen können vielgestaltig sein. Oft sind sie so formuliert, dass einem Mitarbeiter bei Erreichen bestimmter vorher festgelegter Ziele ein Extra-Einkommen (Bonus, variable Erfolgsvergütung) versprochen wird. Wenn der Bonus an eine Leistung des Mitarbeiters geknüpft ist, dann handelt es sich nicht um eine Treueprämie, die das Bleiben beim Arbeitgeber belohnt (kann beim Weihnachtsgeld der Fall sein), sondern um einen Vergütungsbestandteil. Diesen erwirbt der Mitarbeiter, sobald er seinen Teil der Abmachung (Erreichen der Ziele) erfüllt hat. Boni werden in der Regel erst im Folgejahr ausgezahlt, denn erst dann weiß man, ob und in welchem Umfang der Mitarbeiter seine Ziele im vorangegangenen Jahr erreicht hat. Es gibt nun aber Betriebsvereinbarungen, die neben der Bonusregelung auch eine Stichtagsklausel enthalten. Die besagt beispielweise, dass der Bonus nur dann zur Auszahlung kommt, wenn der Mitarbeiter bis zum „Tag X“ des Folgejahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht.
Das BAG hat jetzt einen solchen Fall entschieden (BAG Urteil vom 12.4.2011, 1 AZR 412/09): Derartige Stichtagsklauseln in Betriebsvereinbarungen sind unwirksam.
Folgender Fall lag dem BAG zur Entscheidung vor:
Dem Mitarbeiter war per Arbeitsvertrag eine variable Erfolgsvergütung nach den Regelungen einer Betriebsvereinbarung versprochen worden. In der Betriebsvereinbarung war nun geregelt, dass Grundlage des Bonus eine individuelle Zielvereinbarung sei, die jedem Mitarbeiter vorher genannt wird. Der Bonus sollte jeweils mit dem Juli-Gehalt des Folgejahres ausgezahlt werden, wenn die Ziele erreicht worden sind. Es war also klar in der Betriebsvereinbarung geregelt, dass es sich um eine Erfolgsvergütung handelt. Des Weiteren enthielt die Betriebsvereinbarung folgende Stichtagsklausel:
„§ 8. Ausnahmen. Eine Ist-VE kommt nicht zur Auszahlung, wenn der Mitarbeiter unterjährig durch Kündigung ausscheidet oder bis zum Auszahlungstag das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Bei Austritt durch Erreichen der Altersgrenze oder Vorruhestand sowie bei Mutterschutz-/ Erziehungsurlaub und Erwerbsunfähigkeit kommt die Ist-VE pro rata temporis zur Auszahlung. … In Fällen eines unterjährigen Eintritts erfolgt die Zahlung der Ist-VE pro rata temporis entsprechend der persönlichen Zielerreichung“
Im Klartext:
Wenn jemand im laufenden Geschäftsjahr kündigt oder bis zum Auszahlungstag im Folgejahr gekündigt wird, dann bekommt er gar nichts. Alle anderen, die unterjährig eintreten, ausscheiden oder pausieren bekommen den Bonus anteilig.
Ungerecht oder? Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand und der ist in diesem Fall deckungsgleich mit der rechtlichen Würdigung.
Das BAG hat nämlich richtigerweise gesagt, dass die Regelung in der Betriebsvereinbarung gegen höherrangiges Recht verstößt. Zunächst mal muss überhaupt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates vorliegen. Schon das ist nicht der Fall. Keiner der in § 87 Abs. 1 BetrVG genannten Fälle liegt hier vor. Jetzt gibt es noch die Möglichkeit, freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG zu schließen. Aber auch diese Vorschrift gibt den Betriebsparteien (juristisch für: Arbeitgeber und Betriebsrat) nicht das Recht, einem Arbeitnehmer einen einmal verdienten Vergütungsanteil wieder wegzunehmen. § 611 BGB verpflichtet den Arbeitnehmer zur Erbringung der Arbeitsleistung. Dafür – und nur dafür – bekommt er seinen Lohn. Der Arbeitgeber und auch nicht Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam können die Zahlung der Vergütung nicht von der Erfüllung einer zusätzlichen Bedingung (Bleiben) abhängig machen.
Die Regelung verstößt also gegen § 611 BGB. Hinzu kommt, dass die Stichtagsregelung den Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) unverhältnismäßig beschränkt. Der Arbeitnehmer wird durch die Klausel nämlich zum Bleiben gezwungen. Man will ihm etwas vorenthalten, was ihm ohnehin schon gehört, damit er bleibt. Das geht so nicht. Daran hindert die Betriebsparteien unter anderem § 75 BetrVG. Nach dieser Vorschrift müssen sich die Betriebsparteien bei ihrem Tun an Recht und Gesetz halten – auch und gerade an das Grundgesetz.
Das BAG hat dann noch die Betriebsvereinbarung unter die Lupe genommen und geprüft, ob es sich bei der Bonusregelung wirklich um eine Vergütungsregelung oder um eine Sonderzuwendung für Betriebstreue handelt. Dazu wurden der Wortlaut und die Regelungssystematik analysiert. Kompliziert war das in dem Fall nicht, denn er Vergütungscharakter der Regelung war aus jeder Zeile erkennbar. Man musste nicht lang „herumdeuteln“.
Fazit:
Man darf einem Arbeitnehmer nichts wegnehmen, was er schon verdient hat. Solche Regelungen sind unwirksam – in Arbeitsverträge und auch in Betriebsvereinbarungen.