31 Mai
2012

Stichtagsklausel – Verweigerung der Gratifikationszahlung

Arbeitsverträge enthalten oft auch Regenlungen über Sonderzahlungen, Gratifikationen, Boni etc. Ebenso oft enthalten sie sogenannte Stichtagsklauseln. Darin ist geregelt, dass die Sonderzahlung (oder wie auch immer die zusätzliche Geldleistung des Arbeitgebers bezeichnet wird) dann nicht gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Stichtag im Folgejahr bereits gekündigt hat.

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Solche Klauseln sind mit Vorsicht zu genießen. Arbeitgeber können hier viel falsch machen und Arbeitnehmer sollten sie genau unter die Lupe nehmen. Nicht immer sind sie wirksam.

Ob eine Stichtagsklausel wirksam ist, hängt davon ab, welchen Charakter die Sonderzahlung hat. Belohnt sie ausschließlich die Betriebstreue des Arbeitnehmers, dann ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber im Falle der Kündigung des Arbeitnehmers die Zahlung mit Hilfe der Stichtagsklausel verweigert, denn der Arbeitnehmer war ja nicht „treu“. Soll die Sonderzahlung jedoch ein zusätzliches Entgelt für die Leistung des Arbeitnehmers sein, das lediglich erst im Folgejahr ausgezahlt wird, ist eine Verweigerung der Zahlung mittels Stichtagsklausel unzulässig. Der Arbeitnehmer hat die Sonderzahlung mit erarbeitet und damit auch einen Anspruch. Scheidet er noch im Bezugszeitraum (z.B. 1.1. bis 31.12.) aus, muss er die Sonderzahlung anteilig erhalten.

Soweit, so klar. Was ist jedoch mit Sonderzahlungen, die beides wollen: Belohnung der Betriebstreue und Entlohnung der Leistung des Arbeitnehmers im Bezugszeitraum? Das Bundesarbeitsgericht hat bei solchen Sonderzahlungen mit Mischcharakter bisher wie folgt entschieden: War in der Klausel nur geregelt, dass die Sonderzahlung bei Kündigung bis zu einem bestimmten Stichtag entfällt, bekam der Arbeitnehmer gar nichts, denn das Element „Treue“ war ja nicht erfüllt. Lediglich in den Fällen, in denen die Klausel ausdrücklich eine anteilige Zahlung bei vorzeitigem Ausscheiden vorsah, wurde diese auch gewährt.

Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht jetzt aufgegeben. Folgender Fall lag dem zugrunde:

Ein Arbeitnehmer bekam 2005, 2006 und 2007 jeweils ein Schreiben, in dem ihm eine Sonderzahlung in bestimmter Höhe zugesagt wurde und noch einmal jeweils eine Gratifikation in derselben Höhe für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis am 15.4.2008 ungekündigt fortbesteht. Der Arbeitnehmer kündigte am 28.3.2008 zum 30.6.2008. Die Sonderzahlungen hatte er 2005/2006/2007 jeweils erhalten und machte nun noch die Gratifikationen für die 3 Jahre geltend. Er hatte vorgetragen, dass ihm bei der Einstellung gesagt worden sei, er erhalte Bonusansprüche. Einen Teil am 15. Des Folgejahres und einen gleich hohen Teil in 3 Jahren, wenn das Arbeitsverhältnis am 15.4.2008 ungekündigt fortbestehe. Der Arbeitgeber trug vor, es habe sich nicht um einen berechenbaren Bonus gehandelt sondern um eine Zahlung nach Gutdünken, über die im Einzelfall entschieden worden sei. Außerdem handele es sich um eine Treueprämie und treu sei der Arbeitnehmer nicht gewesen, denn er hat am 28.3.2008 gekündigt.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht. Er bekam die Sonderzahlungen der 3 fraglichen Jahre. Es befand die Klausel für unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Die Klausel habe Mischcharakter und entlohne zumindest auch den Beitrag des Arbeitnehmers zum Unternehmenserfolg und damit seine Arbeitsleistung. Es widerspreche dem Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB (Vergütung ist für geleistete Dienste zu bezahlen) und dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Artikel 12 Grundgesetz, denn durch die Klausel wird die Kündigung seitens des Arbeitnehmers erheblich erschwert. Eine Zahlung, die teilweise auch erbrachte Dienste entlohnen will darf nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht werden, so das Bundesarbeitsgericht.

Arbeitgeber sollten daher ab sofort darauf achten, dass Sonderzahlungen nicht vermischt werden. Es muss ganz klar sein, ob Leistung bezahlt oder Treue belohnt werden soll. Man kann natürlich auch jetzt noch beides gewähren. Jedoch sollten dabei klar getrennte Regelungen getroffen werden, damit für den Arbeitnehmer auch klar ist, welchen Betrag er für welche Gegenleistung (Arbeitsleistung oder Treue) bekommt.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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