von Dr. Sandra Flämig – Rechtsanwalt – Fachanwältin für Arbeitsrecht – Stuttgart
Ich oute mich:
Ich halte Arbeitszeugnisse in der Regel für wenig aussagefähig. Es wird ein Riesenwirbel um Arbeitszeugnisse gemacht. Arbeitszeugnisse werden immer verklausulierter, so dass selbst Fachleute nur durch intensive Prüfung herausbekommen, was der Schreiber denn eigentlich sagen wollte. Zeugnisse sind ein Jahrmarkt der Eitelkeiten (gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber). Arbeitnehmer wollen beim Zeugnis die ihnen angetane Schmach irgendwie doch noch in den Griff bekommen und Arbeitgeber nutzen Zeugnisse zum Teil, um ihren Frust über einen zu teuren Vergleich loszuwerden.
Auf Arbeitnehmerseite findet man fast niemanden, der schlechter als Note 1 Minus war – Note 2 geht gerade noch durch aber zähneknirschend. Das kann aber gar nicht sein. Es gibt in der Regel ganz wenige „sehr gute“, wenige „gute“ und ganz viele „befriedigend“ arbeitende Mitarbeiter. Dann gibt es wenige „ausreichend“ und ganz wenige „ungenügend“ arbeitende Mitarbeiter. „Befriedigend“ ist dabei oft der Mitarbeiter, der die Anforderungen erfüllt. Guter Durchschnitt also. Eigentlich nicht schlecht aber die Gerichte und Anwälte in der außergerichtlichen Praxis haben es fast ausschließlich mit verkannten high performern zu tun.
Es gibt wohl kaum einen Bereich in dem die Diskrepanz zwischen Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung größer ist, als beim Zeugnis. Auf Arbeitgeberseite findet man oft die Bereitschaft ein gutes Zeugnis auszustellen, obwohl der Arbeitnehmer gar nicht gut war. Der Arbeitgeber will sich beim Zeugnis einfach nicht streiten. Oder man findet, seltener, einen Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer noch mal eins auswischen will.
Das Thema ist leidig. Jusitiziabel ist es nur sehr eingeschränkt. § 109 Gewerbeordnung regelt das Zeugnis. Es muss wahr, klar und schlüssig sein, wesentliche Tatsachen schildern und Branchenüblichkeiten beachten. Soweit so einfach. Aber einen Anspruch auf bestimmte Formulierungen hat man in der Regel nicht. Hinzu kommt, dass es für beide Seiten Beweisschierigkeiten gibt. Nicht zu vergessen ist die Prozessdauer.
Warum das Thema Zeugnisse so aus dem Ruder gelaufen ist vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht liegt es daran, dass es zu viele Ratgeber dazu gibt, dass in Zeugnisse einfach zu viel „hineingeheimst“ wird und wurde, dass über das Zeugnis Verletzungen (beider Seiten) abgearbeitet werden, die eigentlich in einem Coaching besser verarbeitet werden können.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, würde ich sagen: Schafft das qualifizierte Zeugnis ab. Gebt den Leuten ein einfaches Zeugnis, das ohne Wertung Auskunft über die Dauer der Beschäftigung und die Art der Tätigkeit gibt und fertig.
Wenn einer wirklich richtig gut ist und der Arbeitgeber ihn nur ungern ziehen lässt, bekommt dieser Top-Mitarbeiter vielleicht auch eine gute Refernz geschrieben, die dann wirklich wahr und erhrlich ist.
Übrigens: Wenn ich mich mit Personalern unterhalte, was ich oft tue, bekomme ich immer wieder gesagt, dass die auf die Zeugnisse gar nicht mehr schauen. Die schauen, ob der Lebenslauf Lücken hat und was die Person bisher gemacht hat. Wenn das passt, laden sie denjenigen ein. Erfahrene Personaler wissen dann schon, ob der Bewerber etwas taugt oder nicht.
Da das Leben kein Wunschkonzert ist, werden Anwälte, Gerichte, Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber weiterhin um Zeugnisse ringen.
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