28 Jan
2013

Sexuelle Belästigung und kein Ende

Der „Fall Brüderle“ hat zu einem Aufschrei geführt. Nachstehend meine ganz persönlichen Anmerkungen zur Frage der sexuellen Belästigung .

Doch zunächst einmal die Fakten. Laut § 3 AGG ist eine sexuelle Belästigung wie folgt definiert:

„Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung ………., wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

Für die Frage, was „unerwünscht“ ist, kommt es darauf an, wie dies OBJEKTIV also VON AUSSEN und MIT ABSTAND gesehen wird. Ich bitte die Großbuchstaben zu entschuldigen, gelten sie doch als Anschreien im Schriftlichen aber der Artikel hat ja keinen Ton und angesichts der Debatte, wann was als sexuelle Belästigung gilt, möchte ich eben schreien.

Warum?

Weil es doch ganz einfach ist:

Respekt, Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen sind auch im Arbeitsleben durchaus en vogue. Wenn man sich daran hält, kann man fast nichts mehr falsch machen. Wenn man sich aber immer noch fragt, ob denn ein kleiner Flirt am Arbeitsplatz verboten ist, dann sollte man noch mal „nachsitzen“ in Sachen Persönlichkeitsentwicklung.

Ich wurde letztes Jahr von einem Journalisten gefragt, ob man denn als Arbeitnehmer/in mit Kunden flirten darf bzw. wie man auf Flirts, die von Kunden ausgehen, reagieren soll. Es gibt ja solche Situationen. Viel Kundenkontakt kann auch zu Annäherungen im zwischenmenschlichen Bereich führen. Findet also ein Arbeitnehmer seine Kundin oder Kollegin attraktiv und fühlt sich hingezogen, darf er das zum Ausdruck bringen und wenn ja, wie? (Gilt auch für Frauen, die sich zu Kollegen oder Kunden hingezogen fühlen). Hier ist äußerste Zurückhaltung geboten. Jeder Mensch tickt anders. Was für den einen zwar nervig ist aber mit einem Schulterzucken abgetan wird, ist für den anderen traumatisierend. Eine körperliche Berührung kann für den einen einfach nur ein bisschen unangenehm sein, der andere fühlt sich schon bedroht und bekommt Angst. Am besten ist es daher, wenn man sich körperlich absolut zurück hält – ja enthält. Verbal sollte man auch zurückhaltend sein. Man kann sich einem anderen Menschen auch respektvoll nähern und merkt dann schon, ob die Gefühle erwidert werden.

Es ist aus meiner Sicht so: sexuelle Belästigung entsteht aus einer inneren Haltung heraus, bei der es eben ganz einfach am Respekt für das Gegenüber und der Reflexionsfähigkeit für das eigene Verhalten fehlt. Das gilt auch für die, die mit „Die soll sich nicht so haben.“ o.Ä. reagieren. Bei Lichte betrachtet geht es bei sexueller Belästigung nämlich nicht um eine von Wertschätzung getragene Annäherung sondern um reines Machtgehabe, Demütigung und Unterdrückung.

Ich begrüße die Debatte, weil das Thema „sexuelle Belästigung“ nun von einer ganz breiten Masse diskutiert wird. Vielleicht rückt es dadurch wirklich ins Bewusstsein derer, die gedankenlos mit ihren Mitmenschen umgehen und sich ungefragt über körperliche Beschaffenheiten etc. äußern.

Schließlich sollte jeder Arbeitgeber ernsthaft hinterher sein bei der Frage der sexuellen Belästigung. Denn sogenannte soft skills wie Respekt, Achtsamkeit und Wertschätzung sind Grundhaltungen, die im Arbeitsleben durch die Bank erstrebenswert sind. Da kann man das Übel der sexuellen Belästigung gleich zum Aufhänger nehmen, um an der Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter zu arbeiten.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Arbeitswelt heute Blog

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