17 Dez
2012

Sexuelle Belästigung führt zur fristlosen Kündigung – LAG Mecklenburg-Vorpommern

Frau jubelt! Wieder einmal hat ein besonders dreister Grapscher auf die Finger bekommen und seinen Job verloren, weil er glaubte, eine sozial schwache, weil nur befristet eingestellte Frau, lässt sich alles gefallen. Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14.8.2012 (5 Sa 324/11) lag folgender Fall zugrunde:

In einem Lebensmittelbetrieb arbeiteten überwiegend Frauen. Der Kläger war dort seit 1992 beschäftigt und als Vorarbeiter tätig. Ihm wurde aufgrund zweier Vorfälle fristlos gekündigt. Er hatte sich einer zunächst befristet eingestellten Arbeitnehmerin einmal, als diese sich in eine Tiefkühltruhe beugen und Pizzen herausholen musste, von hinten so stark genähert, dass es zu einer körperlichen Berührung gekommen ist. Die Arbeitnehmerin erschrak sich sichtlich udn bekam einen roten Kopf. Ein weiteres mal hat er sie ein paar Tage später angetroffen, als sie in der Pause das schwarze Brett studierte und ihr mit beiden Händen ans Gesäß gefasst. Die Mitarbeiterin teilte sich dem Betriebsrat mit und  dieser informierte den Arbeitgeber. Für beide Vorfälle gab es Zeugen, die die Darstellung der Arbeitnehmerin bestätigen konnten. Der Arbeitgeber erteilte nach Anhörung des Klägers und mit Zustimmung des Betriebsrates eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung. Der Kläger hatte versucht, sich herauszureden. Er habe aufgrund der Lautstärke dicht an die Mitarbeiterin herantreten müssen und er habe ihr ja nur einen „freundschaftlichen Klaps auf den Po“ gegeben.

Das Arbeitsgericht hatte der Kündigungsschutzklage noch stattgegeben. Es war zwar auch der Ansicht, dass es sich vorliegend um eine schwere sexuelle Belästigung handelte und man grundsätzlich hier auch schon ohne Abmahnung eine Kündigung aussprechen dürfe. Laut gesetzlicher Definition in § 3 Abs. 4 AGG wird die sexuelle Belästigung wie folgt beschrieben:

“ Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung ………., wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“

„Unerwünscht“ bedeutet dabei nicht, dass das Opfer seine Ablehnung aktiv zum Ausdruck bringen muss. Es ist maßgeblich, ob die Unerwünschtheit objektiv erkennbar war (LAG Mecklenburg-Vorpommern 5 Sa 324/11).

Das Arbeitsgericht war jedoch der Ansicht, der Kläger könne sich bessern. Es sei dem Arbeitgeber daher zuzumuten, dass er weiter beschäftigt wird und eine zweite Chance bekommt.

Der Arbeitgeber ging in Berufung und es kamen weitere Belästigungen ans Licht. So habe der Kläger zumindest einmal zu der betroffenen Kollegen gesagt, dass er „dicke Eier“ habe. Der Kläger habe zudem eine Entschuldigung bei der Mitarbeiterin davon abhängig gemacht, dass die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden, sich als wahr heraus stellen. Damit und auch mit der verharmlosenden Bezeichnung als „Klaps auf den Po“ zeigte er jedoch seine Grundeinstellung zu weiblichen Mitarbeitern. Er werde sich nicht ändern, so der Vortrag des Arbeitgebers. Der Kläger verteidigte sich damit, dass in der Produktion beim Arbeitgeber nun mal ein anzüglicher Ton herrsche und körperliche Berührungen und in den Arm nehmen von Kolleginnen an der Tagesordnung sei und die Kolleginnen dies stets als angenehm empfunden haben.

Das LAG sah den Fall anders. Es bestätigte die fristlose Kündigung. Der Arbeitgeber gewann in zweiter Instanz und der Kläger verlor seinen Job, den er fast 20 Jahre inne hatte.

Das LAG war zweifelsfrei davon überzeugt, dass es dem Kläger nur um sexuelle Anzüglichkeiten ging. Alles andere sind Schutzbehauptungen, auf die es nicht ankommt. Das Landesarbeitsgericht sah auch die Interessenabwägung zuungunsten des Klägers. Es gäbe kein milderes Mittel als die fristlose Kündigung. Die Prognose für eine Besserung des Verhaltens sei negativ. Erst habe er die Taten geleugnet, bis das nicht mehr ging. Dann hat er sie verharmlost und schließlich während des gesamten Prozesses durch sein Verhalten gezeigt, dass er sich überhaupt nicht kritisch mit seinem Verhalten auseinander setzte. Er hatte keinerlei Unrechtsbewusstsein. Es nützte ihm auch nichts, dass er behauptet hat, im Betrieb herrsche ein sexuell angereicherter Umgangston. Es stellte sich nämlich heraus, das dies nur innerhalb der Stammbelegschaft der Fall war. Also bei Menschen, die sich schon seit Jahren gut und auch persönlich kennen. Bei der betroffenen Arbeitnehmerin handele es sich zum einen um eine ganz neue und zudem noch befristet beschäftigte Arbeitskraft, die gar keinen persönlichen Umgang mit dem Kläger hatte. Sie war durch diese Umstände in einer besonders ungeschützten Position und auch unsicher. Dies nutzte der Kläger aus, wie auch das Landesarbeitsgericht sah.

FAZIT: Im Arbeitsverhältnis sollte man unbedingt seine Hände bei sich behalten und sich auch verbal zügeln. Es besteht kein sachlicher Grund, sich Kolleginnen und Kollegen zweideutig oder gar sexuell eindeutig zu nähern. Es kommt nicht darauf an, was man selbst als Handelnder als sexuelle Belästigung empfindet. Die eigene Schamgrenze ist nicht der Maßstab. Es gibt einen objektiven Maßstab und da sollte man die Schelle zur Belästigung als sehr niedrig ansetzen. Die Mitarbeiterin dem oben beschriebenen Fall konnte sich öffnen, weil es Zeugen gab und sie auch von einigen Kollegen ermutigt wurde, sich zu wehren.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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