3 Mai
2011

Schadensersatzanspruch bei unterlassener Zielvereinbarung

von Dr. Sandra Flämig: Rechtsanwalt – Fachanwältin für Arbeitsrecht – Stuttgart

Variable Vergütungsbestandteile sind in zahlreichen Arbeitsverträgen enthalten. In der Regel wird auch vereinbart, dass die Höhe des variablen Anteils sich nach einer jährlich neu zu verhandelnden Zielvereinbarung richtet. Der Arbeitgeber verpflichtet sich damit vertraglich erstens, dass der Arbeitnehmer zu seinem Grundgehalt noch einen variablen Anteil verdienen kann, wenn er sich entsprechend anstrengt. Er verpflichtet sich also, eine weitere Gehaltszahlung zu leisten, deren Höhe noch nicht feststeht und u.a. von der Leistung des Arbeitnehmers abhängig ist. Damit verpflichtet sich der Arbeitgeber aber auch, mit dem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren, damit dieser überhaupt die Chance hat, ein höheres Gehalt zu erzielen.

Unterlässt der Arbeitgeber die Vereinbarung von Zielen und nimmt er damit dem Arbeitnehmer die Möglichkeit durch seinen Teil der Vereinbarung (gut arbeiten und Ziele erreichen) zu mehr Gehalt zu kommen, macht er sich schadensersatzpflichtig. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in einer Grundsatzentscheidung im Jahre 2007 (BAG v. 12.12.2007 10 AZR 97/07) erstmals entschieden.

Der Arbeitnehmer kann daher, wenn eine Zielvereinbarung unterblieben ist, vom Arbeitgeber Schadensersatz wegen entgangener Vergütung fordern.

Wie bei jedem Schadensersatzanspruch kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Schaden zu vertreten hat. Das Bundesarbeitsgericht stellt hohe Anforderungen an den Arbeitgeber. Er muss den Beweisdarüber führen, dass er mit dem Arbeitnehmer Ziele verhandelt hat, die dieser auch erreichen konnte. Es reicht also nicht, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer utopische Ziele verhandelt, nur um der Verhandlungspflicht nachzukommen und dann dem Arbeitnehmer, der utopische Ziele nicht annimmt, vorhalten zu können, er, der Arbeitgeber, habe ja alles getan. Der Arbeitgeber darf den Abschluss einer Zielvereinbarung auch nicht an die Bedingung knüpfen, dass der Arbeitnehmer einer Arbeitsvertragsänderung zustimmt. Verhandelt werden nur die Ziele, die über die Höhe des variablen Gehaltsbestandteils entscheiden.

Die Höhe des Schadensersatzanspruches richtet sich nach dem für den Fall der Zielerreichung zugesagten Bonus.

In einer neueren Entscheidung aus dem Jahre 2010 (BAG 12.5.2010 – 10 AZR 390/09) hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung noch verfeinert. In dem zu entscheidenden Fall hatten die Arbeitsvertragsparteien vereinbart, dass eine getroffene Zielvereinbarung nach Ablauf der Zielperiode nachwirken soll, solange bis eine neue Zielvereinbarung abgeschlossen wurde. 2004 wurde die letzte Zielvereinbarung getroffen. 2005, 2006 und 2007 erfolgte keine neue Zielvereinbarung.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass durch die bloße Vereinbarung einer Weitergeltung „alter“ Zielvereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Zielvereinbarung der Arbeitgeber von der Verhandlungspflicht nicht frei wird. Das sehe man schon daran, dass 2004 noch ganz andere Ziele realistisch waren als 2005. D.h. selbst wenn der Arbeitgeber 2005 einfach gesagt hätte „Es gelten die Ziele von 2004″ hätte er seiner Verhandlungspflicht nicht genügt, denn er hätte unrealistische Ziele vorgeschlagen. D.h. auch bei Vereinbarung der Weitergeltung „alter“ Zielvereinbarung kann es zu einem Schadensersatzanspruch kommen. Endgültig konnte das Bundesarbeitsgericht den Fall nicht entscheiden, weil noch Sachverhaltsaufklärung betrieben werden musste. Es hat den Fall daher an die Vorinstanz, das LAG zurückverwiesen.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der Arbeitgeber darauf bedacht sein sollte, mit seinen Arbeitnehmern wirklich realistische Ziele zu verhandeln. Arbeitnehmer sollten bei unterbliebener Zielvereinbarung unbedingt prüfen lassen, ob daraus ein Schadensersatzanspruch erwachsen ist.

Hier ist schnell zu verfahren, weil im Arbeitsrecht in der Regel sehr kurze Ausschlussfristen bestehen. Sobald also die Auszahlung einer Zielprämie fällig wäre, läuft die Ausschlussfrist und sollte man sich zum Anwalt begeben, um die Prüfung vornehmen zu lassen.

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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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