10 Jul
2012

Private Mails / Telefonate während der Arbeitszeit und dienstliche in der Freizeit – Why not?

Hat ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber die private Nutzung betrieblicher Kommunikationsmittel verbietet, einen Anspruch auf diese Privatnutzung, wenn der Arbeitgeber von ihm verlangt, dass er auch nach der Arbeitszeit noch erreichbar ist?

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Zwei Artikel über die sogenannte Generation Y (sprich: Why) im Handelsblatt und im Spiegel (http://www.handelsblatt.com/unternehmen/buero-special/karriere-generation-y-erobert-den-arbeitsmarkt/6224174.html;

http://www.spiegel.de/karriere/berufsstart/generation-y-die-gewinner-des-arbeitsmarkts-a-766883.html) haben mich diesbezüglich nachdenklich gestimmt.

Es ist mittlerweile sehr stark verbreitet, dass Mitarbeiter mobile Kommunikationsmittel (Mobiltelefon, Smartphones, Laptops, Tablet-PC´s etc.) beruflich und privat nutzen. Es sei kennzeichnend für die Generation Y, dass sie flexibel und überall erreichbar ist; dass sie ihre Arbeitszeit am liebsten selbst einteilt und mittags im Freibad liegt, dafür aber abends zu Hause noch etwas für die Arbeit tut.

Es sei unerklärlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch in der Freizeit beruflich noch erreichen will (und dies auch tut), gleichzeitig aber die private Nutzung seiner Kommunikationsmittel während der Arbeitszeit verbietet.

Auf den ersten Blick hat diese Wie-Du-mir-so-ich-Dir-Haltung eine entwaffnende Logik. Auf den zweiten Blick durch die arbeitsrechtliche Brille, wird einiges klarer:

Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, denn:

Die private Nutzung der betrieblichen Kommunikationsmittel, die immerhin dem Arbeitgeber gehören, führt zu Kosten für den Arbeitgeber, weil der Arbeitnehmer Arbeitszeit aufwendet, um sie zu nutzen und weil die Bereitstellung und das Betreiben ebenfalls Geld kostet. Der Arbeitgeber hat also ein Recht darauf, darüber zu bestimmen, wie seine Kommunikationsmittel genutzt werden. Dies ist für den Arbeitnehmer dann auch einzuhalten, denn es handelt sich um eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Verletzt der Arbeitnehmer diese, dann muss er mit einer Abmahnung und ggf. auch Kündigung rechnen.

Ob der Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit für dienstliche Fragen zur Verfügung stehen muss, richtet sich nach dem arbeitsvertraglich geregelten Arbeitszeitmodell, nach der Überstundenregelung und nicht zuletzt nach dem Arbeitszeitrecht. Man muss also zuerst schauen, ob der Arbeitgeber nicht vielleicht berechtigterweise die Dienste seines Arbeitnehmers in dessen (ggf. nur vermeintlicher) Freizeit in Anspruch nimmt. Kommt man zu dem Ergebnis, dass die dienstliche Verfügbarkeit nicht durch den Arbeitsvertrag gedeckt ist, muss man weiter prüfen, ob der Arbeitgeber hier tatsächlich etwas vom Arbeitnehmer verlangt oder ob es –weicher- stillschweigend erwartet wird oder ob der Arbeitnehmer nur glaubt, er müsse jetzt noch arbeiten. Hier ist es wichtig, sich abzugrenzen und eine faire Lösung zu finden. Verlangt der Arbeitgeber nämlich eine Verfügbarkeit, ohne eine vertragliche Grundlage dafür zu haben, kann der Arbeitnehmer genauso klar wie der Arbeitgeber bei der Privatnutzung betrieblicher Kommunikationsmittel sagen, dass er dies nicht wünscht. Besteht Unklarheit über das Verlangen des Arbeitgebers, sollte der Arbeitnehmer genau nachfragen, was denn von ihm erwartet wird. Dann kann er entscheiden, wie es sich verhalten soll. Verlangt der Arbeitgeber etwas, auf das er keinen Anspruch hat, kann er den Arbeitnehmer bei Weigerung auch nicht abmahnen und später auch nicht kündigen.

Soweit zur rein rechtlichen Seite. In der Praxis sieht es oft ganz anders aus. Arbeitnehmer arbeiten dank der modernen Kommunikationsmittel immer und überall. Auch im Urlaub und in der Freizeit. Sie sind ständig erreichbar und somit auch dann, wenn das Telefon nicht klingelt oder keine Email eingeht „stand by“. Klare Regelungen gibt es dazu nicht. Die Beweislage für den Arbeitnehmer sieht dann schlecht aus. Der Arbeitgeber kann sich nämlich damit „herausreden“, dass er ja nicht verlangt hat, dass der Arbeitnehmer in seiner Freizeit arbeitet. Das ständige erreichbar sein hat nicht selten gesundheitliche Folgen. Arbeitnehmer müssen daher immer abwägen, inwieweit sie bereit sind, berufliches Leben mit dem Privatleben zu vermischen, wo sie besser abgrenzen und wie viel Überengagement sich für die Karriere lohnt und noch gesund ist.

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Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht – Rechtsanwältin Dr. Sandra Flämig
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von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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