Arbeitnehmer kommen manchmal auf komische Ideen. „Ich streike!“ hat sicher jeder/jede von uns schon mal gedacht, wenn er oder sie etwas wirklich haben wollte, genug gegeben zu haben glaubte und wegen „ich werde nicht adäquat wertgeschätzt“ einfach die Schnauze voll hatte. Doch das, was sich die Leiterin eines Zustellstützpunktes und Vorgesetzte von 300 Mitarbeitern erlaubt hat, ging zu weit. Das LAG Schleswig-Holstein hatte am 6.5.2015 (3 Sa 354/14) dazu folgenden Fall zu entscheiden:
Die Leiterin war schon seit über 20 Jahren in dem Unternehmen beschäftigt und seit Anfang 2014 Leiterin. Sie wurde in die EG 9 eingruppiert. Damit war sie nicht einverstanden und es folgten zahlreiche Gespräche mit den Vorgesetzten der Frau über einen AT-Vertrag. Im April 2014 wurde ihr dann abschließend mitgeteilt, dass ein AT-Vertrag nicht möglich sei. Sie könne und werde einen solchen Vertrag nicht erhalten. Basta. Damit gab sie sich aber nicht zufrieden sondern forderte an 3 aufeinanderfolgenden Tagen im Mai erneut einen AT-Vertrag. Schließlich wurde sie nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass seitens des Arbeitgebers keinerlei Bereitschaft mehr bestehe, diese Frage zu erörtern. Die Klägerin teilte dazu mit, dass sie dann ab sofort als Leiterin zurücktrete. Unter uns: Das geht nicht. Die Frau war richtig eingruppiert und sie hatte einen Arbeitsvertrag zu erfüllen. Sie konnte nicht einfach „zurücktreten“. Das sagte ihr auch ihr Arbeitgeber. Einige Tage später, am 28.5.2014 wurde sie um 16 Uhr zu einem klärenden Gespräch eingeladen. Sie forderte wieder den AT-Vertrag. Dies wurde abgelehnt und vom Niederlassungsleiter um 16:50 Uhr das Gespräch beendet. Sie sagte, sie gehe nicht weg, bevor sie nicht den AT-Vertrag hat. Der Niederlassungsleiter und 2 weitere Führungskräfte versuchten die Frau dann zu bewegen das Zimmer und das Haus zu verlassen. Man verwies auf das Hausrecht des Arbeitgebers . Sie bleib jedoch eine Stunde lang sitzen. Man drohte mit der Polizei, wollte den Ehemann und den Betriebsrat rufen. Sie schlug Unterstützung aus und ließ sich von der Drohung mit der Polizei nicht beeindrucken. Man teilte ihr mit, dass sie sich ggf. strafbar mache, den Arbeitsvertrag massiv verletze und eine Kündigung wegen dieses sturen Verhaltens riskiere. Sie blieb. Die Polizei, die dann doch gerufen wurde, konnte sie dann nach einer Stunde guten Zuredens bewegen, das Haus zu verlassen. Doch nicht genug. Die Leiterin des Zustellstützpunktes schrieb am folgenden Tag eine Mail mit einem sehr großen Verteiler, in der sie mitteilte „Wer solche Vorgesetzten hat, braucht keine Feinde mehr.“ und sich als Opfer darstellte. Sie verschwieg freilich, wie sie sich selbst verhalten hatte. Der Arbeitgeber gab ihr den Rat, sich mal betriebsärztlich untersuchen zu lassen. Man sorgte sich um die psychische Gesundheit der Frau. Sie schlug das aus. Daraufhin bekam sie die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung. Das Arbeitsgericht hatte ihrer Klage noch stattgegeben. Sie habe sich zwar kindisch verhalten aber nach einer so langen Betriebszugehörigkeit sei das zu verschmerzen.
Das LAG hielt nur die außerordentliche Kündigung für zu weit gehend, da es dem Arbeitgeber zuzumuten sei, dass er die Mitarbeiterin wenigstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beschäftigt. Sie hat einen massiven Pflichtverstoß begangen. So etwas war jedoch noch nie vorgekommen. Sie hatte bisher ohne Beanstandung gearbeitet und sich ersichtlich nicht unter Kontrolle gehabt. Die Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben. Die ordentliche Kündigung hingegen hielt vor der Berufungsinstanz. Der Fall sei auch so gravierend, dass eine Abmahnung entbehrlich ist. Der massive Pflichtverstoß sei darin zu sehen, dass es ihr ausschließlich um ihre eigenen Interessen gegangen sei. Sie hatte auch keinen Anspruch auf Abschluss eines AT-Vertrages und sie hätte einen solchen Anspruch, wenn es ihn denn gegeben hätte, nicht durch einen Sitzstreik durchsetzen dürfen. Die Klägerin war bretthart bei ihrer Linie geblieben, obwohl ihr Arbeitgeber über Stunden versuchte, sie zur Vernunft zu bringen, Bedenkzeit gab, Unterstützung durch Ehemann und Betriebsrat anbot, auf die Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis hinwies. Nichts nützte und mehr konnte der Arbeitgeber auch nicht tun. Verschlimmert hat die Klägerin ihre Situation auch noch durch das publikumswirksame Nachtreten am Folgetag. Das brachte dann das Fass zum überlaufen. Nicht mal in der Berufungsinstanz war die Klägerin reflektiert und einsichtig. Das Gericht hob dabei auch hervor, dass sie gerade als Vorgesetzte eine Vorbildfunktion ist und mit diesem Verhalten gänzlich ungeeignet ist als Leiterin. Eine Tätigkeit ohne Leitungsfunktion wollte sie aber nicht und hat daher auch das mildere Mittel Änderungskündigung verpasst.
FAZIT: Die Wahl der Mittel spielt bei der Durchsetzung der eigenen Interessen und Ansprüche eine wichtige Rolle. Der Arbeitgeber hatte hier sehr besonnen und souverän gehandelt. Die Vorgesetzten der Klägerin haben sich nicht provozieren lassen und damit eine weitere Eskalation verhindert und vor allem sich selbst nicht ins Unrecht gesetzt.