14 Jul
2014

Wann muss Arbeitgeber Schadensersatz wegen Diskriminierung zahlen?

Das AGG muss ja heutzutage für vieles herhalten. Ich wurde neulich beispielsweise von einem Journalisten gefragt, ob es diskriminierend sei, wenn man einen Bewerber/eine Bewerberin ablehnt, weil er/sie in den Augen des Arbeitgebers nicht schön genug oder zu ungepflegt ist. Es tut also Not, dass man sich mal wieder genau anschaut, wovor das AGG schützen will:

nämlich vor Benachteiligungen wegen:

  • der „Rasse“ (Anm. d. Autorin: Es gibt keine menschlichen Rassen. Dies ist seit den 70er Jahren schon Stand der Wissenschaft. Wer aber annimmt, es gäbe unterschiedliche menschliche Rassen und behandelt Menschen, die er zu einer vermeintlich „Rasse A“ zählt anders als die, die seiner Ansicht nach zu einer „Rasse B“ zählen, der diskriminiert.)
  • der ethnischen Herkunft
  • des Geschlechts
  • der Religion oder Weltanschauung
  • einer Behinderung
  • des Alters
  • der sexuellen Identität

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten diesen Rahmen des AGG gedanklich parat haben.

Anlass für die Erörterung der Reichweite des AGG war ein Urteil des LAG Köln vom 27.6.2014 (5 Sa 75/14). Eine Frau hatte sich für eine Ausbildung zur Pilotin beworben. Sie ist 161,5 cm groß. Im Tarifvertrag war eine Größe von 165 cm vorgeschrieben. Die Frau sah sich diskriminiert, weil durch die Regelung Frauen mittelbar benachteiligt würden, denn sie seien durchschnittlich kleiner als Männer. Das Bewerbungsverfahren wurde von der Lufthansa AG durchgeführt. Der potenzielle Arbeitgeber wäre aber eine Tochtergesellschaft der Lufthansa AG gewesen.

Es stellte sich die Frage, ob es sachliche Gründe dafür gibt, Menschen erst ab einer Mindestgröße von 165 zum Pilot/zur Pilotin zuzulassen. Offensichtlich ist das nicht der Fall, denn andere Fluggesellschaften lassen auch kleinere Menschen zu. In dem Fall des LAG Köln unterlag die Klägerin trotzdem: Gegen die Lufthansa AG, weil die nicht der potenzielle Arbeitgeber war und gegen die Tochtergesellschaft der Lufthansa AG verlor sie, weil sie die Berufung nicht ausreichend begründet hatte.

Der Fall soll aber nur „Aufhänger“ sein für die Frage, wann das AGG anzuwenden ist. Immer dann, wenn es sich um eines der oben genannten „Diskriminierungsmerkmale“ handelt. „Zu klein“ kann dann ein Diskriminierungsmerkmal erfüllen, wenn es mittelbar Frauen ausschließt oder ihnen den Zugang zu Beschäftigung (etc.) erschwert UND wenn es keine sachlichen Gründe gibt für eine Ungleichbehandlung. Wenn also im Fall des LAG Köln aus sicherheitsrelevanten Gründen eine Mindestgröße des Flugpersonals zwingend erforderlich wäre, dann ist eine Ungleichbehandlung auch gerechtfertigt.

Wenn ein Arbeitgeber einen Bewerber ablehnt, weil der sich beispielsweise weigert, seine zahlreichen Gesichtspiercings während der Arbeit abzulegen, dann sehe ich darin zum Beispiel noch keine AGG-relevante Diskriminierung.

Fakt ist und bleibt: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Als Arbeitgeber sollte man mit seiner Meinung, warum man jemanden ablehnt lieber hinterm Berg halten. Gerade wenn es um so heikle Fragen wie „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ geht. Das liegt zwar oft alles ganz und gar nicht im Bereich des AGG aber wenn man jemanden verletzt, dann muss man mit einer Klage rechnen. Auch wenn die aussichtslos ist. Dann muss man sich mit einem solchen Fall auseinander setzen und auch noch selbst Geld dafür bezahlen.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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