22 Apr
2019

Mündliche Kündigung unter Umständen doch wirksam?

von Dr. Sandra Flämig – Rechtsanwalt – Fachanwältin für Arbeitsrecht – Stuttgart

Mündlich gekündigt worden – was tun?

Eine Kündigung, die nur mündlich, per Fax oder Email vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ausgesprochen wurde ist gemäß §§ 125, 623 BGB unwirksam.

Soweit, so einfach. Da stellt sich die Frage: Was tut man aber, wenn der Arbeitgeber, also der Chef sagt: „Ich kündige Dir. Du brauchst nicht mehr zu kommen.“? Grundsätzlich konnte man sich darauf verlassen, dass die 3-wöchige Klagefrist des § 4 Kündigungsschutzgesetz bei einer formunwirksamen Kündigung, wie beispielsweise eine mündliche Kündigung, nicht gilt. Zunächst einmal muss man sich die Interessenlage des Arbeitnehmers klar machen: Er wird von der Arbeit nach Hause geschickt und bekommt kein Geld. Der Arbeitgeber hat durch sein Verhalten, also seinen unmissverständlichen Rausschmiss, auch klar gemacht, dass er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht mehr annehmen will.

Da das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aber durch eine Kündigung, die nicht der Schriftform genügt, laut Gesetz nicht beendet wurde, kann der Arbeitnehmer seinen Lohn aufgrund des Annahmeverzuges des Arbeitgebers geltend machen. Des Weiteren hat der Arbeitnehmer ein Interesse daran, dass gerichtlich festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis noch besteht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat mit einer Entscheidung vom 16.8.2010 (25 Ta 1628/10) nun eine erste Klagefrist bei mündlichen Kündigungen festgehalten: Es gibt im Arbeitsrecht, und damit gleichzeitig auch im Fall der Beendigung des Arbeitsvertrags, nicht nur starre Fristen. Es gibt laut Gesetz auch die Verwirkung. D.h., wer ein Recht eine bestimmte Zeit nicht geltend macht und den Umständen nach erkennen lässt, dass er sich auf sein Recht nicht berufen will, kann dieses Recht verwirken. Es braucht also ein sogenanntes Zeitmoment und ein Umstandsmoment. Wie es sich damit genau verhält, hängt vom Einzelfall ab. Im Fall des Landesarbeitsgerichts in Berlin-Brandenburg (LAG BB) hatte ein Arbeitnehmer 7 Monate nach „Erhalt“ der mündlichen Kündigung auf Annahmeverzugslohn und Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet ist, vor Gericht geklagt. Vor der Klage hatte er aber den Arbeitgeber mehrfach vergeblich gebeten, die Kündigung zurück zu nehmen und schließlich, als das nichts half, seine Arbeitspapiere verlangt. Damit hatte er nach Ansicht des LAG BB zum Ausdruck gebracht, dass er die Kündigung hinnehmen wolle. Außerdem seien 7 Monate viel zu lang. Das LAG hat, zum Beispiel in dieser Klage, dann auch noch eine zeitliche Grenze versucht zu definieren, innerhalb der man die Unwirksamkeit einer formunwirksamen Kündigung geltend machen muss: Orientieren soll sich der Arbeitnehmer an der 3-wöchigen Klagefrist und ein monatelanges Zuwarten soll das Recht schon zerstören. So eingegrenzt, bleiben wenig mehr als 3 Wochen übrig.

Die Entscheidung des Gerichts hatte sich auch noch mit tarifvertraglichen Ausschlussfristen beschäftigt, aus dem Grund, da Lohnansprüche aus 7 Monaten geltend gemacht wurden.

Der Beschluss des LAG BB ist bemerkenswert, denn es wurde eine eigentlich gesetzlich nicht vorgesehene Klagefrist für formunwirksame Kündigungen definiert. Das bedeutet für Arbeitnehmer, dass sie sich auch bei mündlichen Kündigungen oder solchen per Email oder Fax recht zeitnah rechtlichen Rat einholen müssen, um ihre Rechte laut Gesetz nicht zu verwirken. Auf Nummer sicher geht man in jedem Fall, wenn die 3 Wochen eingehalten werden. Ein Zeitraum von 2 Monaten sollte aber keinesfalls überschritten werden.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

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