5 Sep
2013

Mobbing – Opferrolle und die Lust darauf, mutig zu sein

Mein Beitrag in diesem Magazin zum Thema unliebsame Mitarbeiter und ein Artikel von Heiko Mell in den VDI nachrichten vom 5.7.2013 (http://www.ingenieur.de/Arbeit-Beruf/Heiko-Mell/Notizen-Praxis/419-Nehmen-an-Sie-wuerden-gemobbt)

haben mich bewogen, noch einmal zum Thema Mobbing auszuführen, was mir meine immerhin schon 11 jährige anwaltliche Praxis gezeigt hat:

Wenn ein Arbeitnehmer das Gefühl bekommt, gemobbt zu werden oder wenn er sich selbst als Mobbingopfer sieht, dann ist es höchste Eisenbahn. Dann sollten alle Alarmglocken läuten. Dann wäre es an der Zeit, zu schauen:

  • Warum werde ich gemobbt? bzw.
  • Warum fühle ich mich als Opfer?

Sicherlich gibt es Konstellationen, in denen ein Arbeitnehmer „zur Schnecke gemacht wird“. Sicherlich gibt es extrem fiese Menschen (Kollegen), die es darauf abgesehen haben, einen anderen Mitarbeiter fertig zu machen. Aber in jedem Fall, d.h., egal ob es sich um echtes oder gefühltes Mobbing handelt, muss Arbeitnehmer herausfinden, warum er in diese Situation gekommen ist. In erster Linie gilt es, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, um wieder stark zu werden und um wieder (ver)handeln zu können.

Sieht sich aber ein Arbeitnehmer als Opfer oder als jemand, mit dem etwas gemacht wird (Ich werde gemobbt.) Ist er ein schwaches, fremdgesteuertes Objekt. Das bedeutet auch: Ich übernehme keine Verantwortung für mich und mein Handeln.

Opfer sind „Verlierer“. Opfer sind die, die keine Karriere machen. Opfer sind passiv.

Das ist provokant und überhaupt nicht kuschelig. Mir geht es nicht darum, Menschen, die am Boden sind, zu verhöhnen. Ich will Ihnen die Augen öffnen! Sie haben es in der Hand. In dem Moment, wo der Arbeitnehmer, der sich als Mobbingopfer fühlt, Hilfe holt, hat er schon den ersten wichtigen Schritt getan.

Er hat erkannt, dass er in einer Situation ist, die er selbst nicht bewältigen kann.

Hilfe ist aus meiner Sicht nicht durch eine „Ach-Du-armes-Opfer-Haltung“ möglich.

Hilfe sieht in meinen Augen so aus:

  • sachliche, juristische Analyse des Falles
  • Veranschaulichung des Kraftfeldes um den Arbeitnehmer herum (Es wird der Arbeitnehmer in seinem Kollegenkreis visualisiert und dadurch herausgefunden, wer wie und ggf. warum in einer bestimmten Weise handelt. Dadurch gewinnt man Klarheit über die Gruppenstruktur und -dynamik. Dadurch sieht man auch gleich, wer einem im Betrieb vielleicht helfen kann und wer nicht.)
  • Ermittlung der Eigenanteile des Betroffenen (Es geht nicht um Schuld. Es geht darum, ganz genau „hinzuschauen“ und ehrlich mit sich selbst zu sein.)
  • Aufzeigen von Perspektiven für die Zukunft

Am Ende dieser aufwändigen, ehrlichen und mutigen Analyse hat man zumindest mal eins gewonnen: Sie sind kein Opfer mehr, denn Sie haben sich Ihrem Problem sehr mutig gestellt und es klar vor sich ausgebreitet. Das ist verdammt harte Arbeit.

Nun haben Sie durch die neu gewonnen Klarheit und die neu gewonnene Kraft (Mutig gewesen zu sein, gibt Kraft und Selbstvertrauen.) die Möglichkeit, zusammen mit Ihrem Anwalt nach einer Lösung intern oder extern zu suchen. Sie sind nun in der Lage, sachliche Entscheidungen zu treffen und Bedingungen zu stellen. Dadurch werden Sie wieder ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner. Und wenn am Ende das Ergebnis ist, dass es bei diesem Arbeitgeber eben nicht weiter geht, haben Sie durch die mühevolle aber lohnenswerte Vorarbeit den Grundstein für Ihre berufliche Perspektive gelegt. Sie wissen nun, wie Sie ticken und in welches Umfeld Sie sich besser nicht begeben. Und damit haben Sie den meisten Ihrer Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt einiges voraus.

 

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Blog Karriereberatung

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