21 Nov
2013

Die logische Sekunde – Wenn Fristen frustrieren

Wahrscheinlich kennen nur Juristen sie. Die logische Sekunde. Was es damit auf sich hat und dass diese eine logische Sekunde über „Anspruch ja“ oder „Anspruch nein“ entscheidet, hat unlängst ein Mitarbeiter eines kirchlichen Arbeitgebers erfahren müssen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat am 10.4.2013 (Az.: 8 Sa 560/12) folgenden Fall entschieden:

Der klagende Arbeitnehmer war in der Zeit vom 1.3.1972 bis 29.2.2012 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand ein Tarifvertrag Anwendung. In diesem Tarifvertrag war für „Beschäftigte“ ein Anspruch auf Jubiläumsgeld geregelt und „bei Vollendung einer Beschäftigungszeit von 40 Jahren“ sollte es 1000 Euro geben. Er verlangte die 1000 Euro von seinem Arbeitgeber. Dieser verweigerte die Bezahlung, da das Arbeitsverhältnis gleichzeitig mit der Vollendung der 40 Jahre Beschäftigungszeit geendet habe. Der Arbeitnehmer erhob Klage. Doch auch das Arbeitsgericht wies sein Begehren ab. Das Arbeitsgericht war der Ansicht, dass es  Voraussetzung für die Zahlung der 1000 Euro  sei, dass der Kläger nach der Vollendung der 40 Jahre noch einen Tag beschäftigt sei.

Auch das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Der Arbeitnehmer bekam seine 1000 Euro nicht. Das Landesarbeitsgericht hat dazu die entsprechende Vorschrift im Tarifvertrag ausgelegt. Es kam zu dem Schluss, dass der Arbeitnehmer zwar exakt 40 Jahre beschäftigt war. Jedoch könne er nicht Anspruch auf das Jubiläumsgeld erheben. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, musste der Tarifvertrag ausgelegt werden. Tarifverträge sind wie Gesetze auszulegen. Erst muss nach dem Wortlaut, dann nach dessen maßgeblichem Sinn, dann nach dem Willen der Tarifvertragsparteien und schließlich nach dem Gesamtkontext geschaut werden, in dem sich die Vorschrift befindet. Das LAG kam dann richtigerweise zu dem Ergebnis, dass der Tarifvertrag das Jubiläumsgeld „Beschäftigten“ nach 40 Jahren Beschäftigungszeit zuspricht. Es ist also notwendig, dass derjenige nach Ablauf der 40 Jahre wenigstens noch für eine „logische Sekunde“ beschäftigt ist. Der klagende Arbeitnehmer war aber durch die das Zusammenfallen der 40 Jahre Betriebszugehörigkeit mit seinem Ausscheiden eben kein Beschäftigter mehr. Ein Anspruch auf das Jubiläumsgeld ist daher nicht entstanden.

Es empfiehlt sich daher, Tarif- und Arbeitsverträge immer genau zu lesen und sich ggf. von einem Anwalt beraten zu lassen. Vielleicht wäre es im vorliegenden Fall ja möglich gewesen, das Arbeitsverhältnis noch ein wenig länger dauern zu lassen.

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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