Betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM

Das in § 84 Abs. 2 SGB IX geregelte Präventionsverfahren ist landläufig bekannt unter dem Begriff „Betriebliches Eingliederungsmanagement“ oder kurz BEM.

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Muss der Arbeitgeber ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen?

Das BEM ist für den Arbeitnehmer freiwillig. Der Arbeitgeber ist jedoch gut beraten, dem Arbeitnehmer ein BEM anzubieten. Er ist gesetzlich zu Durchführung verpflichtet und der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf. Der Arbeitnehmer hat es auch in der Hand, wann welche Beteiligten in das Verfahren eingebunden werden. Schließlich habdelt es sich um die Gesundheit(sdaten) des Arbeitnehmers, über die hier ausführlich gesprochen wird.

Bei Ausspruch einer personenbedingten Kündigung ohne vorheriges BEM kann sich dies für den Arbeitgeber negativ auf den Kündigungsschutzprozess auswirken. Das BEM ist zwar keine Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung und auch nicht ein milderes Mittel an Stelle der Kündigung. Das Gericht prüft jedoch die Verhältnismäßigkeit der Kündigung. Wenn sich dabei herausstellt, dass bei Durchführung eines BEM die Möglichkeit bestanden hätte, durch Anpassung der Arbeitsbedingungen oder andere, arbeitsplatzerhaltende, geeignete Maßnahmen, den Arbeitsplatz zu retten, sieht es schlecht aus für den Arbeitgeber. Jedoch muss bei ordentlicher Durchführung eines BEM überhaupt die Chance bestanden haben, dass man die Kündigung hätte vermeiden können.

Das LAG Rheinland-Pfalz hat dazu am 10.7.2017 (3 Sa 153/17) ein Urteil getroffen. Der Arbeitgeber hatte vor der streitgegenständlichen Kündigung kein BEM durchgeführt. Er hatte aber vorher mehrmals entweder ein BEM durchgeführt oder eines angeboten, was vom Arbeitnehmer nicht angenommen wurde. Das LAG sah keinerlei Gründe, die dafür sprachen, dass ein BEM in dem konkreten Fall sinnvoll gewesen wäre. Der Arbeitnehmer hatte in einem Zeitraum von 8 Jahren mit steigender Tendenz verschiedenste Kurzerkrankungen und war zum Schluss durchgehend krank. Keiner der Erkrankungen hatte betriebliche Ursachen. Therapiemöglichkeiten, die zu einer Verbesserung der Gesundheit hätten führen können, hat der Arbeitnehmer nicht vorgetragen. Somit konnte der Arbeitgeber auch ohne durchgeführtes BEM kündigen.

Ab wann kann ein BEM durchgeführt werden?

Wenn Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen krank sind, dann muss der Arbeitgeber herausfinden, ob und wenn ja wie die Arbeitsunfähigkeit dauerhaft wieder hergestellt werden kann. Auch wenn sich die Vorschrift im SGB IX befindet, haben nicht nur Menschen mit Behinderung Anspruch auf das BEM. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können ein BEM in Anspruch nehmen. Es ist auch nicht erforderlich, dass in dem Betrieb ein Betriebsrat oder eine Schwerbehindertenvertretung besteht und die Verpflichtung zum BEM gilt auch im Kleinbetrieb.

Die 6 Wochen müssen nicht am Stück anfallen. Es genügt, wenn sich über einen Zeitraum von einem Jahr 6 Wochen auch durch Kurzerkrankungen ansammeln. Der Jahreszeitraum betrifft die letzten 12 Monate und nicht das Kalenderjahr.

Das BEM ist dazu da, dass möglichst frühzeitig herauszufinden, ob es für die Erkrankung Ursachen gibt, die im Betrieb liegen und wenn ja, wie diese abgestellt werden können. Doch auch wenn es sich nicht um betriebliche Ursachen handelt, soll durch das BEM herausgefunden werden, ob man betroffenen Arbeitnehmern Bedingungen schaffen kann, unter denen sie so arbeiten können, dass sie gesund bleiben. In diesen Prozess ist auch der Betriebsrat und , bei Menschen mit Behinderung, die SBV einzubeziehen. Es kann sinnvoll sein, auch den Betriebsarzt einzubinden.

Wie wird das BEM durchgeführt?

Der Arbeitgeber muss zunächst den Arbeitnehmer zum BEM einladen.

Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer darüber informiert wird,

  • welches Ziel das BEM haben soll,
  • welche möglichen Beteiligten eingeladen werden können,
  • dass und wie diese Beteiligten zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und/oder werden
  • dass es freiwillig ist und der Arbeitnehmer jederzeit abbrechen kann,
  • welche (Gesundheits)daten erhoben werden,
  • wer diese Daten zu Gesicht bekommt, wie sie gespeichert werden usw.

All das muss dem Arbeitnehmer bekannt sein, bevor er dem BEM zustimmt.

Im Gesetz ist nicht geregelt, wie das BEM durchzuführen ist und das ist auch gut so. Jeder Fall ist anders und jeder Arbeitgeber hat andere Gegebenheiten. Das Integrationsamt oder der Integrationsfachdienst ist einzubeziehen, wenn es sich um einen Menschen mit Behinderung handelt oder um einen Menschen der von Behinderung bedroht ist.

In größeren Betrieben, insbesondere in Betrieben mit Betriebsrat, ist es empfehlenswert, eine Betriebsvereinbarung zu den Grundsätzen des BEM abzuschließen.

Im BEM sollte idealerweise

  • die Ursache für die Erkrankung,
  • die Therapierbarkeit,
  • die ggf. Anpassungsmöglichkeiten seitens des Arbeitgebers (Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsaufgabengestaltung etc.)

herausgefunden werden. Es ist dabei nicht unbedingt erforderlich, dass der Betriebsarzt die Diagnosen bekannt gibt. Wenn der Arbeitnehmer das nicht wünscht, kann die Diagnose in der Blackbox bleiben und der Betriebsarzt begutachtet nur die Arbeitsplätze und gibt eine Einschätzung darüber ab wie, wo und was der Arbeitnehmer noch arbeiten kann.

Um dem Arbeitgeber nicht die ganze Last einer solchen Umgestaltung des Arbeitsplatzes aufzuerlegen, gibt es die Möglichkeit von finanzierten Eingliederungshilfen und Zuschüssen zum Arbeitsentgelt.

Betriebsrat und SBV

Der Betriebsrat und – bei Menschen mit Behinderung – die SBV können verlangen, dass das BEM durchgeführt wird, wenn der Arbeitgeber dies nicht tut. Gleichwohl ist es für den Arbeitnehmer freiwillig  und er kann auch „nein“ sagen bzw. die SBV und den Betriebsrat ausschließen. Der Arbeitnehmer hat auch das Recht, darüber zu bestimmen ob und in welchem Umfang seine BEM-Daten an Betriebsrat und SBV weitergegeben werden. Der Betriebsrat kann aber verlangen, dass ihm der Arbeitgeber die Namen der Arbeitnehmer mitteilt, die für ein BEM infrage kommen. Dies hat das BAG in einem Beschluss vom 7.2.2012 (1 ABR 46/10) entschieden.

Anders kann er seine Mitbestimmungsrechte auch nicht ausüben. Zum einen ist es ihm ohne diese Information nicht möglich, dem Einzelnen bei der Durchsetzung eines BEM zur Seite zu stehen. Zum anderen hat der Betriebsrat Initiativrechte in Sachen, Verhalten, Gesundheitsschutz und Unfallverhütung (§ 87 Abs. 1 Nr. 1, 6 und 7 BetrVG). Diesen kann er nur richtig nachkommen, wenn er über einen erhöhten Krankenstand bescheid weiß.

Was passiert nach dem BEM?

Wenn das BEM dazu geführt hat, dass man eine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung gefunden hat, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entsprechend einsetzen. Weigert sich der Arbeitnehmer, kann dies den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen. Wenn sich nach einem BEM ergibt, dass der Arbeitnehmer weiterarbeiten kann und bei der Weiterarbeit gleich wieder krankheitsbedingte Fehlzeiten anfallen, ist eine personenbedingte Kündigung grundsätzlich auch ohne weiteres BEM möglich. Da jedeoch der Teufel immer im Detail steckt, sollte der Arbeitgeber in einem solchen Fall doch nochmal zum BEM auffordern bzw. vorab prüfen, ob dies sinnvoll sein könnte.

Wenn das BEM ergeben hat, dass es keine Möglichkeit gibt, die Fehlzeiten zu verringern, kann der Arbeitgeber nun kündigen.

BEM fehlt – und nun?

Wenn der Arbeitgeber das BEM nicht durchführt, kann dies im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Kündigung des Gerichts dazu führen, dass die Kündigung unverhältnismäßig war. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall. Auch im Gesetz sind keine Sanktionen enthalten für den Fall, dass dass BEM nicht durchgeführt wird.

 

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