31 Okt
2011

Kündigungsschutz von leitenden Angestellten

Im Arbeitsverhältnis ist es wie beim Bergsteigen: Je höher man kommt, umso dünner wird die Luft. Soll heißen: Der Kündigungsschutz wird mit steigender Hierarchieebene immer schwächer. Wenn man es mit „richtigen“ Arbeitnehmern zu tun hat, ist dies deshalb so, weil in den oberen Regionen einer Hierarchie schlicht weniger bis gar keine vergleichbaren Kollegen vorhanden sind und bei betriebsbedingten Kündigungen einfach keine Sozialauswahl möglich ist, wenn es niemanden mehr gibt, mit dem man verglichen werden kann.

Doch in hohen Hierarchieebenen stellt sich auch immer wieder die Frage, ob es sich bei dem gekündigten Mitarbeiter um einen „normalen Arbeitnehmer“ oder um einen leitenden Angestellten handelt. § 14 KSchG lautet:

„(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten nicht

1.in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,

2.in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen.

(2) 1Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme des § 3Anwendung. 2§ 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.“

 

Zwar gilt auch für leitende Angestellte das Kündigungsschutzgesetz. D.h., auch beim leitenden Angestellten muss der kündigende Arbeitgeber seine Kündigung entsprechend § 1 KSchG begründen können. Jedoch kann ein Arbeitgeber einen sogenannten Auflösungsantrag stellen und muss diesen, anders als beim „normalen Arbeitnehmer“, nicht begründen. Das Gericht löst das Arbeitsverhältnis dann gegen Zahlung einer Abfindung auf, wenn die Klage des leitenden Angestellten an sich begründet und die Kündigung unwirksam wäre. Ein leitender Angestellter kann also nicht bis zuletzt auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses hoffen sondern nur auf eine Abfindung, sofern der Arbeitgeber einen Auflösungsantrag stellt.

 

Leitende Angestellte gibt es seltener als man denkt. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu am 14.4.2011 (2 AZR 167/10) erneut entschieden. Ein leitender Angestellter muss in seiner Entscheidung im Innen- und im Außenverhältnis frei und unabhängig sein. Leitender Angestellter ist man daher nicht, so das Bundesarbeitsgericht, wenn sich die Befugnis zur Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern im Unterbreiten von Vorschlägen erschöpft. Oft ist jedoch gerade das der Fall. Viele vermeintliche leitende Angestellte müssen bei ihren Entscheidungen Rücksprache halten oder es gilt das Vier-Augen-Prinzip. Schon daran scheitert die Eigenschaft „leitender Angestellter“.

 

Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist daher zu raten, rechtzeitig prüfen zu lassen, ob es sich in dem konkreten Einzelfall wirklich um einen leitenden Angestellten handelt, um danach die Strategie für das weitere Vorgehen auszurichten.


von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht

Sandra Flämig hat 4,99 von 5 Sternen 171 Bewertungen auf ProvenExpert.com