4 Dez
2014

Kündigung von „Unkündbaren“ ist möglich

In den Bereich der Sagen und Märchen gehört auch die Geschichte von der Unkündbarkeit. „Ich bin unkündbar“ tönt es allenthalben von bestimmten Arbeitnehmergruppen.

Unkündbarkeit im klassischen Wortsinne gibt es de facto nicht. Auch ein Mensch mit einem extrem starken Kündigungsschutz kann seinen Arbeitsplatz verlieren und das ist nicht immer nur eine Frage des Preises, wobei sich darüber zugegebenermaßen sehr viele Fälle regeln lassen. Es gibt zwei aktuelle Entscheidungen dazu, die sich mit der Kündigung von Arbeitnehmern beschäftigen, die aufgrund ihres Alters und ihre langen Betriebszugehörigkeit tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbar sind.

Das LAG Thüringen (23.7.2014, 6 Sa 140/13) und das BAG (20.3.2014, 2 AZR 288/13) haben dazu entschieden.

In dem Fall des LAG Thüringen ging es um einen Mann, der schon älter als 40 Jahre alt und länger als 15 Jahre im Unternehmen beschäftigt war. Der Tarifvertrag sah vor, dass ihm nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden durfte. Er arbeitete bei dem beklagten Arbeitgeber, der sein operatives Geschäft im Wege des Betriebsübergangs auf zwei andere Unternehmen übertragen hatte. Der Arbeitnehmer hatte dem Betriebsübergang widersprochen und war bei seinem Arbeitgeber, der keine Arbeit mehr für ihn hatte, geblieben. Der Arbeitgeber kündigte daher außerordentlich mit sozialer Auslauffrist (entspricht der eigentlich anzuwendenden ordentlichen Kündigungsfrist). Der Mann verlor die Berufung, die Revision zum Bundesarbeitsgericht ist zugelassen. Das LAG hat zu Recht festgestellt, dass ein Arbeitnehmer, der  nur noch außerordentlich gekündigt werden kann, dann betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist kündbar ist, wenn es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zu dessen regulärem Ende (Rente) fortzuführen und dafür keinerlei sinnvolle Gegenleistung mehr zu bekommen. Es handele sich zwar nur um eine „ausnahmsweise“ Kündigungsmöglichkeit, jedoch sei vorliegend zugunsten des Arbeitgeber zu entscheiden, der andernfalls einen Arbeitnehmer noch rund 15 Jahre ohne Gegenleistung bezahlen müsste.

Das Bundesarbeitsgericht hatte einen ähnlichen Fall entschieden. Dort war es allerdings um eine außerordentliche personenbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist gegangen. Der betreffenden Arbeitnehmer war auch mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert und hatte demzufolge nicht nur die tarifliche Alterssicherung sondern auch noch das Schwerbehinderungsrecht auf seiner Seite. Der Mann hatte seit 2003 immer wieder verschiedene Leiden vorgetragen und war immer wieder an „leidensgerechtere“ Arbeitsplätze versetzt worden. Seine Fehlzeiten nahmen jedoch nicht ab und er machte immer wieder geltend, dass er die angebotene leidensgerechte Arbeit, die im Zuge von verschiedenen Wiedereingliederungen gefunden wurden, nicht ausüben konnte. Schließlich reichte es dem Arbeitgeber nach immerhin 7 Jahren und er kündigte im Jahre 2010 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und das LAG der Klage stattgegeben hatte, hatte der Arbeitgeber in der Revisionsinstanz vor dem BAG die Nase vorn. Das BAG verwies den Fall zurück an das LAG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung.

Das BAG hat  ausgeführt, dass ein Arbeitsverhältnis auf stetigen Leistungsaustausch gerichtet ist. Wenn dieser aufgrund des Leidens des Arbeitnehmers auf nicht absehbare Zeit gestört ist und der Arbeitgeber ohne Kündigung an einem „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnis festhalten müsste, dann sei dies dem Arbeitgeber nicht zuzumuten. Er muss kündigen dürfen.

Man sieht, dass es keine wirkliche Unkündbarkeit gibt und dass es sich für Arbeitgeber durchaus lohnt, zu prüfen, ob nicht doch ein wichtiger Grund für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem vermeintlich Unkündbaren möglich ist.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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