30 Jan
2014

Kündigung von Schwerbehinderten – Wenn das Integrationsamt zustimmt

Die Kündigung von Schwerbehinderten ist für Arbeitgeber ein steiniger aber nicht unmöglicher Weg. Auch wenn viele Menschen mit einem Grad der Behinderung ab 50 oder einem Grad der Behinderung ab 30 zzgl. Gleichstellung annehmen, dass sie quasi unkündbar wären, ist dem nicht so. Nicht mal dann, wenn es sich bei dem Schwerbehinderten zusätzlich noch um eine Mitglied des Personalrates handelt. Das Bundesarbeitsgericht hat am 23.5.2013 (2 AZR 991/11) dazu eine für alle Beteiligten interessante Entscheidung getroffen.

Folgender Fall lag dem zugrunde: Ein Elektriker/Personalratsmitglied mit einer Betriebszugehörigkeit von 19 Jahren und einem Grad der Behinderung von 60 hat einem Journalisten der Lokalpresse bereitwillig Auskunft erteilt über – seiner Ansicht nach – Missstände bei seinem Arbeitgeber. So hat er gegenüber dem Journalisten behauptet, dass in der Schreinerei seines Arbeitgebers Gartenmöbel für den Chef gebaut worden seien. In der Presse erschien dann ein Artikel mit der Überschrift „Chef der Abtei …. unter Verdacht – ausgeprägte Selbstbedienungsmentalität“. Der Arbeitgeber beantragte daraufhin beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des schwerbehinderten Personalratsmitglieds. Wenige Tage nach dem Antrag erfolgte die Zustimmung durch das Integrationsamt. Der Arbeitgeber kündigte sofort nach Erhalt der Zustimmung. Der Arbeitnehmer legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und erhob Kündigungsschutzklage. Soweit alles richtig, denn die Zustimmung des I-Amtes muss auf dem Verwaltungsrechtsweg angegriffen werden und gleichzeitig muss gegen die Kündigung auf dem Arbeitsrechtsweg vorgegangen werden, wenn man sich als Arbeitnehmer alle Wege offen halten will. Für den Arbeitgeber gilt auch, dass er die Ablehnung einer Zustimmung auf dem Verwaltungsrechtsweg angreifen muss. Doch das nur am Rande.

Im vorliegenden Fall ging nicht nur die Kündigungsschutzklage durch mehrere Instanzen mit jeweils unterschiedlichen Ergebnissen. Auch die Klage gegen die Zustimmung zur Kündigung erfuhr im Verwaltungsrechtsweg ein Auf und Ab. Letztlich gab das Oberverwaltgungsgericht dem  Arbeitgeber recht und hielt die Zustimmung der Kündigung für richtig. Das LAG hatte dem Arbeitnehmer zunächst Recht gegeben. Die Revision des Arbeitgebers beim Bundesarbeitsgericht war aber letztlich von Erfolg gekrönt – zumindest kann der Arbeitgeber nun hoffen, dass er seinen Prozess doch noch gewinnt, weil das BAG den Fall an das LAG zurück verwiesen hat.

Das LAG hatte der Kündigungsschutzklage deshalb stattgegeben, weil zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LAG das Verwaltungsrechtsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Die Frage, ob die Zustimmung rechtens war oder nicht, war abschließend noch nicht geklärt. Das LAG hatte daher angenommen, dass die Kündigung noch gar nicht hätte ausgesprochen werden dürfen, weil das Verwaltungsgericht nämlich die Zustimmung aufgehoben hatte und das Oberverwaltungsgericht noch nicht entschieden hatte. Im Zeitpunkt der Entscheidung des LAG lag also keine Zustimmung für die Kündigung vor aber der Rechtsweg für diese Zustimmung war noch nicht abgeschlossen. Das Verfahren war also noch in der Schwebe. Das LAG nahm daher an, dass es an die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts (Zustimmung unwirksam) gebunden sei.

Das hat das Bundesarbeitsgericht verneint. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Zustimmung zu einer Kündigung haben keine aufschiebende Wirkung. Daher musste das LAG davon ausgehen, dass die Zustimmung vorliegt, denn der Ausgangsbescheid des Integrationsamtes sagte klar: der Kündigung wird zugestimmt. Es ist, so das BAG weiter, völlig belanglos, ob die Zustimmung im Laufe des Verfahrens vom Widerspruchsausschuss oder dem Verwaltungsgericht aufgehoben wird. Solange diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist und somit revidiert werden kann, müssen die Arbeitsgerichts davon ausgehen, dass eine Zustimmung zur Kündigung vorliegt.

Das BAG hat den Fall dennoch zurückweisen müssen, weil es ja nicht über die Frage entscheiden konnte, ob die Gründe für die Kündigung wirklich vorlagen. Das LAG hatte dazu nichts entschieden, weil es ja davon ausging, dass die Kündigung noch gar nicht hätte ausgesprochen werden dürfen und daher mit seiner Prüfung gar nicht an den Punkt „Kündigungsgründe vorhanden ja/nein“ gekommen war.

Der Fall zeigt sehr schön, dass man sich auch als Mensch mit starkem Kündigungsschutz nicht alles erlauben darf.

 

 

 

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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