2 Jun
2014

Krieg und Frieden im Arbeitsrecht

Ich beschäftige mich schon seit Beginn meiner Tätigkeit als Anwältin mit der Frage, wie Konflikte entstehen und wie sie am besten gelöst werden können. Ich habe dabei schon sehr oft die Erfahrung gemacht, dass lange Gerichtsprozesse, in denen das „Gemetzel“ immer schlimmer wird, einen Konflikt nicht wirklich lösen. Es bleibt eine tiefe Wunde im Unternehmen, beim Mitarbeiter, der gehen muss und bei denen, die bleiben.

Aus Sicht des Arbeitnehmers steht am Ende eines langen Prozesses vielleicht eine Abfindung.

Aus Sicht des Arbeitgebers ist man den Mitarbeiter vielleicht (mit ziemlicher Sicherheit) endlich los.

Doch mit Abstand betrachtet hat der lange Prozess vor Gericht und der vorausgehende „Prozess“ im Betrieb sehr viel Energie gekostet, jahrelang gedauert und war sehr teuer. Dabei meine ich nicht nur die Abfindung. Es kommen Anwaltskosten und die Kosten für das eigene Personal in der Personalabteilung hinzu. Interne Mitarbeiter können in der Zeit, in der sie Zeit und Kraft in einen Konflikt stecken nichts anderes sinnvoll und energiegeladen tun.

Das Vernünftigste wäre also, gleich in dem Moment, in dem man den Konflikt wahrnimmt, und das ist oft sehr früh, mit dem Friedensprozess zu beginnen. Wir wissen alle, dass zum Krieg immer zwei gehören, zum Frieden nur einer, dass es für die Lösung eines Konfliktes lediglich einer Einsichtsänderung bedarf.

Wenn meine Mandanten, ob Arbeitgeber, Personaler, Führungskraft oder Angestellte/r zu mir sagen „Er/sie streitet immer mit mir.“ dann frage ich „Und was machen Sie, während er/sie mit Ihnen streitet?“ Das ist nicht nett, weil ich damit den Finger in die Wunde lege. Aber es ist hilfreich.

Es ist zwar viel einfacher, immer nur auf den anderen zu schauen und dessen Anteile zum Konflikt zu sehen. Es ist aber auch wenig erwachsen. In arbeitsrechtlichen (und sonstigen) Konflikten begegnen uns oft sehr kindliche Gefühle, die sich unreflektiert und ungefiltert Bahn brechen. Wie damals. Im Sandkasten. Damals waren sie für irgendetwas gut und wichtig. Heute sind sie es nicht mehr aber sie tun so, als ob…

Schwieriger ist es schon, wenn wir uns unseren eigenen Beitrag zum Konflikt anschauen. Und ich rede hier nicht von Schuld! Leichter ist es, wenn man von „Anteil“ am Konflikt spricht. Denn jeder hat seine Gründe, warum er einen bestimmten Anteil zu einem Konflikt leistet. Oft stecken sogar sehr gute Absichten dahinter, wenn man mal ein bisschen genauer hinschaut. Wenn wir uns in den alltäglichen Konflikten, die uns am Arbeitsplatz aber auch im Privatleben begegnen, bewusst wären, dass wir einen Anteil daran haben und wenn wir dazu bereit wären, uns mit diesem Anteil zu beschäftigen, dann müssten wir vielleicht ganz schön was aushalten. Manchmal sind die Gefühle, Verletzungen, sogenannten „dunklen Seiten“ echt nicht zum aushalten. Das gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber. Es gehört Mut und Größe dazu, sich dem auszusetzen. Es ist erwachsen. Der Friedensprozess ist erwachsen. Beim Frieden schaue ich auf mich und auf den anderen. Beim Krieg ist immer „der da schuld“. Friedensprozess bedeutet auch, dem anderen ganz deutlich Grenzen zu setzen. Das kann man aber nur, wenn man sich seiner eigenen Grenzen wirklich bewusst ist und das Standing hat, diese ganz erwachsen zu verteidigen. Frieden bedeutet auch im Arbeitsrecht nicht, dass man alles mit sich machen lässt. Es bedeutet, dass man reflektiert nach den jeweiligen Anteilen schaut, dann ggf. Grenzen setzt und schließlich in einen Dialog tritt. Ein Friedensprozess ist nicht „ei tei tei“ und es gehört mehr Mut dazu, Frieden zu stiften als Krieg zu führen.

Aus meiner Erfahrung im Laufe vieler Jahre als Anwältin, die unzählige arbeitsrechtliche Konflikte begleitet hat, ist  es preiswerter, am Ende ist man vielleicht sogar (über sich selbst hinaus) gewachsen und man hat eine wirkliche Lösung ohne schalen Beigeschmack. Utopisch? Nach meiner Erfahrung ist es durchaus machbar.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Arbeitswelt heute Blog

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