2 Mai
2013

Innere Kündigung – Beobachtung aus der anwaltlichen Praxis

Den Begriff „innere Kündigung“ kennen Sie. Es sind damit Menschen gemeint, die zwar noch jeden Tag zur Arbeit gehen, aber dort höchsten „Dienst nach Vorschrift“ verrichten, im schlimmsten Fall jedoch schlechte bis gar keine verwertbare Arbeit leisten.

Aus Arbeitgebersicht und nur von außen betrachtet – ohne Ursachenforschung, passiert dann oft folgendes: Man bemerkt, dass ein Mitarbeiter nicht mehr so leistet, wie bisher. Er macht Fehler, arbeitet schlechter, deutlich schlechter. Vielleicht entstehen sogar Schäden durch die lasche Arbeitshaltung. Als Arbeitgeber schaut man sich das eine Weile an. Schließlich wird seitens des Arbeitgebers abgemahnt und am Ende gekündigt.

Aus Arbeitnehmersicht hat sich zum einen das Betriebsklima seit Jahren schleichend verschlechtert, er wird nicht wertgeschätzt, nicht befördert, bekommt unerreichbare Zielvorgaben oder, oder. Eigentlich will er schon lange nicht mehr dort arbeiten aber wo soll er denn hin? Der Arbeitnehmer ist vielleicht sogar krank geworden und bekommt Depressionen und burn out.

Alle sind unzufrieden. Der gesamte Prozess ist zermürbend für beide Seiten gewesen, hat jede Menge Geld und Nerven gekostet und ein paar Jahre gedauert. Dennoch denkt der Arbeitgeber möglicherweise: „Endlich sind wir den low performer los.“ und der Arbeitnehmer denkt sich „Besser ein Ende mit Schrecken …“ usw.

Es wird – in der Regel – seitens des Arbeitnehmers und auch des Arbeitgebers nicht weiter nach den eigentlichen Ursachen und nach wirklichen Lösungen gesucht. Das Problem ist ja gelöst. Und dann passiert es wieder. Dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer läuft wieder in einen Job, der ihn über kurz oder lang nicht ausfüllt. Er wird wieder krank, macht Fehler bei der Arbeit und wird antriebslos. Wieder läuft er mit einer inneren Kündigung herum. Dem Arbeitgeber begegnet wieder ein Mitarbeiter, der nicht so tut, wie er soll. Es werden vielleicht sogar mehr Mitarbeiter, die schlecht leisten. Ausfallkosten (Entgeltfortzahlung, Umsatzeinbußen etc.) entstehen.

Das denke ich mir nicht aus. So beobachte ich es oft in meiner anwaltlichen Praxis, wenn ich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer begleite. Aus meiner Sicht hat sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber Ursachenforschung oberste Priorität. Das kostet erst mal Geld, denn man benötigt neben dem Anwalt noch einen weiteren Berater von außen. Es ist eine Analyse und Beantwortung der folgenden Fragen notwendig: „Wie konnte das passieren?, Warum konnte das passieren? Was ist mein Anteil daran und wie kann ich mich selbst anders verhalten, damit mir/uns das nicht wieder passiert?“ Diese Fragen beantwortet Ihnen kein Anwalt, sondern Sie sich selbst mit der Hilfe eines Coachs. Der Anwalt beantwortet alle juristischen Fragen für verschiedene Szenarien einschließlich einer Einschätzung der damit verbundenen Kosten. Ein Anwalt kann auch helfen, eine juristisch saubere und für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu finden.

Dieser Prozess erfordert gegenüber dem üblichen Gemetzel (Mobbing, Krankmachen, Abmahnungen, Kündigungen, Gerichtsprozessen über mehrere Instanzen ….) sehr viel mehr Mut. Doch es ist immer mutiger, Frieden zu stiften, als in den Krieg zu ziehen. Man muss sich bei dieser Lösungsvariante nämlich viel mit sich selbst beschäftigen, den anderen und seine Bedürfnisse in den Blick nehmen und bereit sein, sich zu öffnen und zu ändern. Das ist eine ziemliche Zumutung aber auf Dauer der kostengünstigere Weg. Reflektiert handelnde Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden zufriedener zusammenarbeiten. Es gibt weniger Fehlzeiten, die Produktivität steigt, Gerichtsprozesse und Anwaltskosten werden in Zukunft vermieden oder zumindest deutlich reduziert.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Arbeitswelt heute Blog

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