Der Fall, den das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 1.8.2013 (2 Sa 6/13) entschieden hat, betraf die gängige Praxis hinsichtlich Einsatzes von Fremdarbeitskräften bei der Daimler AG.
Doch nicht nur der prominente Autobauer bedient sich der Methode des Dauereinsatzes von fremdem Personal auf der Basis von Werkveträgen / Dienstverträgen, die in der alltäglichen Praxis nichts anderes sind als illegale Arbeitnehmerüberlassung. Diese Praxis ist insbesondere bei Arbeitnehmern der MINT-Fächer weit verbreitet und dem Wunsch nach höchstmöglicher Flexibilität geschuldet.
Die Folgen illegaler Arbeitnehmerüberlassung sind für den Entleiher höchst fatal, denn es entsteht durch gesetzliche Fiktion ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher.
Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 1, Satz 1 AÜG:
„Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen….“
in Verbindung mit § 9 Nr. 1 AÜG:
„Unwirksam sind:
1.Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 erforderliche Erlaubnis hat, …“
Folgender Sachverhalt lag dem LAG Baden-Württemberg zur Entscheidung vor:
2 IT-Fachkräfte, beide um die Mitte 50, waren seit 2001 ausschließlich bei der Daimler AG eingesetzt. Sie waren als Freelancer unterwegs – freie Mitarbeiter also.
Ihre Dienste hatten sie der Firma E (ein IT-Systemhaus) angeboten, die wiederum Subunternehmer der Firma C war.
C hatte einen Werkvertrag mit der Daimler AG geschlossen und zur Erfüllung dieses IT-Servicevertrages die beiden Kläger eingesetzt. Die beiden Kläger waren von 2001 bis Ende 2011 in der Abteilung Treasury (Finanzabteilung) für den IT-Support zuständig. Sie betreuten die EDV und waren fürd ie Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze zuständig. in der Abteilung waren 25 Mitarbeiter der Daimler AG und um die 30/40 Mitarbeiter von Subunternehmen im Rahmen von Werkverträgen tätig. C hatte keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
In dem Rahmenvertrag zwischen C und der Daimler-AG war die Leistung beschrieben und auch Gewährleistungsrechte vereinbart. Es handelte sich zumindest auf dem Papier um einen Werkvertrag. Es war unter anderem vereinbart, das jeder einzelne Auftrag in ein digitales Ticketsystem einzustellen sei. Damit sollte sicher gestellt werden, dass der Einzelauftrag zuerst an C geht und dann von C an die jeweils vor Ort eingesetzten Mitarbeiter weitergeleitet wird. Somit hätte C die Weisung erteilt und nicht die Daimler AG.
Entscheidend ist jedoch nicht, was schriftlich vereinbart wurde, sondern was wirklich gelebt wurde. Und da sah es ganz anders aus.
Die beiden Kläger arbeiteten mit den Betriebsmitteln der Daimler-AG, mussten montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr anwesend sein und konnten zahlreiche Emails vorlegen, aus denen hervorging, dass nicht nur das Ticket-System zur Auftragserteilung gewählt wurde. Es wurde sehr oft der direkte Weg gewählt und Weisungen von Daimler-Mitarbeitern an die Kläger erteilt. Zwar hatte die Daimler AG ihren Mitarbeitern die Anweisung gegeben, die Kläger und anderen Fremdarbeitskräfte nicht direkt anzuweisen. Über diese Weisung setzten sich die Mitarbeiter teilweise selbst hinweg, teilweise taten sie es mit Wissen der Personalverantwortlichen.
Aufgrund dieser Sachlage sah es das LAG als erwiesen an, dass die Kläger in den Betrieb der Daimler AG eingegliedert waren und auch jahrelang Weisungen von Daimler-Mitarbeitern empfangen haben. Dies seien auch keine Einzelfälle sondern gängige Praxis gewesen. Daher sei nun ein Arbeitsverhältnis zwischen der Daimler AG und den beiden Klägern zustande gekommen.
Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. In diesem Fall ist daher noch nicht das letzte Wort gesprochen.