8 Aug
2013

Herabwürdigung leitender Angestellter – Immer noch eins drauf!

Der Fall, den das Arbeitsgericht Offenbach am 13.2.2013 (Az.: 10 Ca 152/12) zu entscheiden hatte, ist ein echter Krimi. Oberflächlich geht es ganz harmlos um die Berichtigung eines Zeugnisses und um die Frage, welche konkreten Tätigkeiten eines Arbeitnehmers in das Zeugnis aufgenommen werden müssen.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde:

Der Arbeitnehmer war als Vertriebsleiter bei der Beklagten eingestellt worden. Er verdiente rund 8.800 Euro im Monat und war somit, wenn vielleicht kein leitender Angestellter, so doch zumindest eine Führungskraft in einer höheren Hierarchieebene. 3 Jahre nach Beginn der der Tätigkeit, im Jahr 2006, bekam der Vertriebsleiter die erste von mehreren Kündigungen, Änderungskündigungen und Versetzungen.

Er erhob Kündigungsschutzklage, gewann beim Arbeitsgericht und beim Landesarbeitsgericht. Ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers wurde zurückgewiesen. Der Mann arbeitete weiter.

Noch während das erste Kündigungsschutzverfahren lief, sprach der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus und wollte den Vertriebsleiter nun als Sales-Manager bis zum Abschluss des Verfahrens beschäftigen. Es handelte sich also um eine deutliche Degradierung. Wieder erhob er Klage und wieder gewann er beide Instanzen. In einem weiteren Gerichtsverfahren stritten die Parteien über Annahmeverzugslohnansprüche, die der Vertriebsleiter wiederum zu großen Teilen gewann. Beide Seiten legten Berufung ein. Beide Berufungen wurden abgewiesen. Es gab eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG, die zurückgewiesen wurde.

Nun sprach der Arbeitgeber eine Versetzung aus. Der Vertriebsleiter sollte nun nicht per Änderungskündigung zum Sales-Manager gemacht werden, sondern per Versetzung. Sie ahnen es: Es gab eine Klage und der Vertriebsleiter gewann wieder beide Instanzen. Danach gab es noch 2 weitere Kündigungen, gegen die die Führungskraft ebenfalls erfolgreich in zwei Instanzen klagte. Schließlich gab es noch mal ein Verfahren wegen Annahmeverzugslohn und Entzug des Dienstwagens. Der Kläger gewann die erste Instanz und in der zweiten einigte man sich dann (endlich!) auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. In dem Vergleich, der vor dem LAG geschlossen wurde, einigte man sich auch auf ein Zeugnis, dass hinsichtlich der Führungs- und Leistungsbeurteilung der Note „sehr gut“ entspricht und das eine Dankes- und Abschiedsformel enthält.

Nun wurde ein Zeugnis erteilt, in dem der Werdegang des Vertriebsleiters inklusive der Stellen als Sales-Manager, die er nur unter Vorbehalt ausübte und auf die er rechtswidrig versetzt worden war, aufgezeigt wurde. Im Zeugnis also bekam er „noch einen mit“. Der Arbeitgeber hatte die durch ihn vergeblich versuchte „Degradierung“ im Zeugnis aufgeschlüsselt. Dagegen klagte der Arbeitnehmer und bekam recht. Doch … Berufung ist eingelegt!

Das Arbeitsgericht Offenbach hat zunächst nochmal ganz klar herausgestellt, was ein Zeugnis soll: Es soll dem Arbeitnehmer das berufliche Fortkommen sichern. Es ist für ihn sehr wichtig. Es soll klar sein und wahr. Die Aufnahme von Tätigkeiten in das Zeugnis, die der Arbeitgeber in rechtswidriger Weise angewiesen hat widerspricht dem Grundsatz, dass ein Zeugnis das berufliche Fortkommen sichern soll und auch dem Grundsatz der Zeugniswahrheit. Das mag auf den ersten Blick nicht plausibel sein, denn der Mann hatte ja in der Position als Sales-Manager gearbeitet. Aber er durfte dort nicht beschäftigt werden. Das war rechtskräftig festgestellt worden. Es war somit unumstößlich, dass der Kläger nicht arbeitsvertragsgemäß beschäftigt wurde. Das Arbeitsgericht Offenbach führt dazu aus:

“ Ein an den arbeitsvertraglichen Rechten und Pflichten orientierter wahrer Zeugnisinhalt muss deshalb die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten aufgrund rechtswidriger Weisungen der Beklagten außer Acht lassen. Die Richtigkeit dieser Auffassung mag die Beklagte sich daran vergegenwärtigen, wenn sie sich vorstellen würde, sie hätte den Kläger für 3 Jahre die Stelle eines Pförtners zugewiesen, der Kläger diese unter Protest ausgeübt und die Beklagte dies dann im Zeugnis vermerkt. Insofern haben alle Hinweise darauf, dass der Kläger eine andere Tätigkeit als diejenige eines Leiters des Vertrieb International ausgeübt hat, im Zeugnis zu unterbleiben.“

Was für ein schreckliches Gemetzel! Natürlich kann und darf ich nicht über die Beteiligten dieses Falles urteilen und natürlich sind die Gefühle beider Seiten unbedingt ernst zu nehmen. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer. Wenn ein Fall so läuft, spricht viel dafür, dass alle Beteiligten die wahren Triebfedern ihres Handelns, die wahren Gefühle/Motive weggedrückt haben. Was hier passiert ist, kann keiner wirklich wollen. Es kann nicht das Ergebnis einer sachlichen Analyse sein. Einer solchen geht nämlich die Auseinandersetzung mit den wahren Motiven voraus. Was hier passiert ist, kostet nicht nur endlos Zeit. Es kostet auch sehr viel Geld und vor allem, es hält die Beteiligten nunmehr über 7 Jahre in einem von negativer Energie geschwängertem Zustand.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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