4 Feb
2013

GmbH Geschäftsführer: Warum sie zum Arbeitsgericht wollen?

Die beiden jüngsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (10 AZB 60/12) und des LAG Berlin Brandenburg (10 Ta 1906/12), in denen erbittert um den Zugang zur Arbeitsgerichtsbarkeit gestritten wurde, werfen die Frage auf, warum man sich so sehr um die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts streitet. Wieso wird so viel Energie (= Zeit, Nerven, Geld) in eine bloße Vorfrage gesteckt?

Es ist eben mehr als eine bloße Vorfrage.

Vorteil der Arbeitsgerichtsbarkeit ist, dass in der ersten Instanz jede Seite die Kosten ihres Anwalts selbst trägt. Das hat den Vorteil, dass man, wenn man als Arbeitnehmer unterliegt, nicht die Kosten des Anwalts seines Arbeitgebers zu bezahlen hat. Das kann ganz erhebliche Erleichterungen bieten, denn Geschäftsführer verdienen in der Regel gut und entsprechend hoch sind die Streitwerte, nach denen sich auch die Höhe der anwaltlichen Gebühren richtet. Des Weiteren gibt es bei der Arbeitsgerichtsbarkeit keinen Gerichtskostenvorschuss. Man kann gleich loslegen, ohne als Kläger Kosten vorstrecken zu müssen. Bei einem Vergleich bezahlt man vor dem Arbeitsgericht gar keine Gerichtskosten mehr, beim Landgericht immerhin noch eine Gerichtsgebühr. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht hat also Kostenvorteile. Zwar muss man seinen eigenen Anwalt selbst bezahlen aber das Risiko ist besser zu kalkulieren. Überdies dürfte auch die Frage, ob die Rechtsschutzversicherung greift oder nicht, interessant sein. Sie muss nämlich nicht zahlen, wenn der Geschäftsführer wegen seiner Anstellung als Organ einer juristischen Person klagt. Wenn er aber Rechte aus einem Arbeitsverhältnis geltend macht, dann muss die Rechtsschutzversicherung zahlen. Wenn der Kläger aber erst mal das Arbeitsgericht davon überzeugt hat, dass es zuständig ist, dann wird dies auch ggü. der Rechtsschutzversicherung überzeugend wirken.

Möglicherweise spielt auch die Überlegung, dass die Arbeitsgerichte arbeitsrechtliche Fragen besser und routinierter beantworten können als die ordentlichen Gerichte eine Rolle.

Schließlich könnte durch die bewusste Entscheidung des Arbeitsgerichts, es sei zuständig, auch schon die Richtung für weitere Prüfungen vorgegeben sein. Man kommt in arbeitsrechtliches Fahrwasser. Das ist ein bisschen wie ein Heimvorteil. Wenn sich dann auch noch herausstellt, dass ein Geschäftsführer Arbeitnehmer ist und dass die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes auf ihn anwendbar sind, dann genießt er einen größeren Schutz und die Verhandlungen um Abfindungen gelingen leichter. Denn eines muss man sich klar machen: Der Job ist weg. Fragt sich nur noch, für wie viel; und da tut man sich vor dem Arbeitsgericht aus Sicht des klagenden Geschäftsführers eben etwas leichter.

FAZIT: Vermeintliche Vorfragen und bloße Formalien können brisante Hintergründe haben und sind daher mit ebensolcher Aufmerksamkeit zu entscheiden, wie die Hauptfrage des Falles (Job weg oder nicht – Geld ja, aber wie viel etc.)

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Aktuelles Arbeitsrecht Blog

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