12 Sep
2013

Geschäftsführer zwischen Baum und Borke – Ausländische Muttergesellschaft „regiert“ in deutsche Tochtergesellschaft „hinein“

Am 29.7.2013 habe ich in diesem Magazin schon die Situation eines Personalleiters angesprochen, der zwischen einem starken Geschäftsführer mit Prinzipien  und einem eigenwilligen Mitarbeiter vermitteln muss.

Es geht noch schwieriger. Sie kennen das vielleicht auch, wenn Sie Geschäftsführer einer kleinen deutschen Tochtergesellschaft sind und die Geschäftsleitung der ausländischen Muttergesellschaft Ihnen in sämtliche Geschäftsbereiche, insbesondere den Personalbereich „hineinregiert“ – Sagen wir ruhig „reinpfuscht“, denn das ist es, was Sie als Geschäftsführer wahrnehmen und was Ihnen die Arbeit schwer macht.

Schauen wir uns mal die äußeren Fakten an, mit denen Sie als Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft konfrontiert sind:

  • Sie sind Fremdgeschäftsführer. Ihnen gehört der Laden  nicht, Sie sind abhängig beschäftigt und Sie sind Anfang 50.
  • Die deutsche Tochtergesellschaft, deren Geschicke Sie leiten und deren Vermögensinteressen Sie wahrnehmen müssen, ist vergleichsweise klein. Sie haben vielleicht 50 bis 200 Mitarbeiter/innen. Weltweit sind es viele Tausend Mitarbeiter.
  • Die ausländische Muttergesellschaft in Gestalt des dortigen CEO oder Inhabers möchte in jeder Tochtergesellschaft mitreden. Auch Personalthemen werden da nicht ausgespart.
  • Ihr ausländischer CEO und gleichzeitig Chef kennt sich im deutschen Arbeitsrecht überhaupt nicht aus bzw. ignoriert es, kennt die deutsche Kultur nicht bzw. ignoriert sie und will nur eines: Ergebnisse, schnell und kostenlos/-günstig
  • Dieser CEO hat die Vorstellung, dass man Mitarbeiter/innern, die einem per Nase nicht passen, einfach feuern kann. Egal ob es sich um Betriebsratsmitglieder handelt oder um langjährige Mitarbeiter/innen und egal, ob Sie der Ansicht sind, dass schnelles Feuern nicht nur rechtlich nicht möglich ist sondern auch menschlich verwerflich.

Hinzu kommt, dass Ihre persönlichen Werte sich nicht mit denen decken, die Sie bei Ihrem CEO im Ausland vermuten.

Ihnen ist zum Beispiel wichtig:

  • Klarheit
  • Fairness
  • Einfühlungsvermögen
  • Selbstreflektion
  • Mut
  • Wertschätzung
  • Achtsamkeit und Respekt
  • Lösungen konstruktiv erarbeiten und „Krieg“ vermeiden, wo es nur geht

Dies ist eine sehr schwierige Situation. Der erste Schritt ist das, was ich hier schon angefangen habe:

  • Sie müssen sich klar machen, wo Sie stehen und wo Ihr Chef steht. Ganz nüchtern und sachlich. Ggf. brauchen Sie dabei eine externe Hilfe, wenn Ihnen Ihre eigenen Werte nicht so klar sind.
  • Dann müssen Sie schauen, was denn hinter dem vordergründigen „Schmeiß´ den raus!“ steht. Was will Ihr CEO wirklich und wie kann man dieses wirkliche Ziel erreichen.

Dabei sollten Sie auch ganz klar wissen, wie in der ganz konkreten Situation die Rechtslage aussieht:

  • Wann kann einem Mitarbeiter gekündigt werden, wann nicht und welche Gründe gibt konkret dafür?
  • Wenn man einem Mitarbeiter nicht kündigen kann, was gibt es für Möglichkeiten, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden und wie viel kostet das?
  • Wie kann man den Mitarbeiter dabei unterstützen, sich selbst so zu ändern, dass er nicht mehr auf der „Abschussliste“ des großen Chefs steht und wie bringt man das am besten rüber?

Die rechtliche Situation kann Ihnen ein Anwalt klar machen. Ein psychologisch geschulter Anwalt kann Ihnen auch das Spannungsfeld aufzeigen zwischen Ihnen, Ihren Mitarbeitern und Ihrem ausländischen CEO. Wenn Sie dann noch einen Coach ins Boot holen, der interkulturelle „Gemengelagen“ aus dem Eff Eff beherrscht, sind Sie einen ganzen Schritt weiter.

Schließlich werden Sie merken, wie es Ihnen mit der neuen Herangehensweise geht und ob Sie nun besser arbeiten können, weil Sie sich wohler fühlen. Vielleicht merken Sie aber auch, dass Ihre eigenen Wert so sehr von denen der Geschäftsleitung der ausländischen Muttergesellschaft abweichen, dass eine gute Zusammenarbeit in Zukunft nur schwer möglich ist. Dann sollten Sie sich fragen, was genau Sie in der  ungemütlichen Position hält und warum Sie nichts ändern, sprich wechseln. Vielleicht sind Lebensalter (je höher, desto schlechter sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt) und erreichter Status (was genau ist daran wirklich wichtig für Sie) wichtige vordergründige Motive. Jedenfalls ist das ein guter Zeitpunkt, sich selbst durch eine Standortanalyse zu reflektieren und zu schauen, was der Markt und das Leben sonst noch zu bieten haben.

Fazit: Geschäftsführer zu sein, ist eine echte Herausforderung. Die Herausforderung wird größer, je mehr Einfluss eine ausländische Muttergesellschaft ausübt. Hier braucht man starke juristisch und psychologisch geschulte Partner. Dann ist auch diese Herausforderung professionell zu meistern.

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Blog Mitarbeiterführung

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