16 Sep
2013

Führungskräfte in Elternzeit – Warum gibt es so wenig weiße Raben?

Es ist immer dasselbe:

  • Männer in Führungspositionen nehmen keine Elternzeit oder nur die Deckmäntelchen-Elternzeit von 2 Monaten. 2 Monate, die oft geteilt werden in zweimal 4 Wochen. Das ist lächerlich.
  • Frauen und Männer in Führungspositionen, die wirklich richtig Elternzeit genommen haben, also ein paar Monate nicht im Büro zur Verfügung standen, haben anschließend große Schwierigkeiten, wieder an der alten Stelle anzuknüpfen.

Die Argumente der Firmen sind immer gleich. Es handelt sich um Glaubenssätze, die zeigen, dass man nicht bereit ist, sich geänderten gesellschaftlichen Anforderungen zu stellen. Folgendes wird hauptsächlich gegen die Rückkehr in die Führungsposition vorgebracht:

  • Man kann nicht in Teilzeit führen. Vollzeit heißt 40 Stunden pro Woche plus „x“.
  • Die Führungskraft wird ständig ausfallen, weil die Kinder krank sind.
  • Es ist erforderlich, dass die Führungskraft auch nach 16 Uhr, im Urlaub und am Wochenende verfügbar ist.
  • Es gibt viel zu viel zu tun in diesem Job.
  • Die Führungskraft hat dann nur noch Familie und Kinder im Kopf und steht uns nicht mehr voll und ganz zur Verfügung.

Die Argumente, die gegen eine Rückkehr von Führungskräften in ihre Führungsposition nach der Elternzeit angebracht werden, kann man überspitzt darstellen mit

  1. Das war schon immer so.
  2. Da könnte ja jeder kommen.
  3. Wo kämen wir denn da hin.

Dem wohnt eine große Angst inne. Eine Angst vor Veränderungen. Das ist aber ein großer Fehler. Unternehmen vergeben sich etwas, wenn sie ihre gut ausgebildeten Führungskräfte ziehen lassen. Zum einen wird die Beendigung teuer, denn man muss eine Abfindung zahlen. Dann wird das Recruting teuer, denn es dauert, bevor die Stelle neu besetzt wird. Schließlich setzt man Geld in den Sand, weil man die Führungskraft selbst ausgebildet hat und dieses Investment nun nicht nutzen kann. Schön blöd!

Wer aktiv Kinder erzieht – ich rede hier nicht vom „Grüßonkel“, der abends gegen 20 Uhr reinschneit und morgens gegen 7 Uhr verschwindet – der erwirbt Fähigkeiten, die sich im Job hervorragend unterbringen lassen.

Wer Kinder erzieht, lernt:

  • höchste Effizienz, denn in weniger Zeit muss mehr „To do“ abgearbeitet werden.
  • sich klar und deutlich (so dass es auch ein Zweijähriger versteht) auszudrücken. Subtile Botschaften fallen weg. Eltern haben nämlich keine Zeit für solche Spielchen.
  • konsequent die Dinge umzusetzen, die man angekündigt hat.
  • unpopuläre Entscheidungen zu treffen und nicht daran zu zerbrechen, „dann nicht mehr geliebt zu werden“, denn man hat gelernt das Unangenehme, bestimmt aber zugewandt zu vermitteln.
  • zu delegieren, denn man kann gar nicht mehr alles allein machen und merkt, dass das auch nicht notwendig ist.
  • anderen etwas zuzutrauen. Man ist praktisch gezwungen dazu, weil man weniger Zeit hat und staunt oft, wie andere aufblühen, wenn sie sich auch mal beweisen dürfen. Das ist für die Mitarbeiterführung sehr wichtig.
  • sich schnell auf geänderte Randbedingungen einzustellen und sie zu meistern (Kind kotzt bei der Fahrt in die Kita ins Auto und muss zu Hause bleiben – Eltern bekommen das hin.)

Führungskräfte in Elternzeit sollten sich überlegen, welche konkreten Fähigkeiten sie durch das aktive „Eltern sein“ ausgefeilt oder neu erworben haben und damit bei ihrem Arbeitgeber für sich werben. Dazu ist es wichtig, sich die Führungsaufgabe anzuschauen und genau zu ermitteln, welche der neuen Fähigkeiten sich wie genau einbringen lässt, so dass der Laden rund läuft nur eben auf eine andere Art.

Das heißt: Sehen Sie als Führungskraft die Welt mit den Augen Ihres Chefs. Was ist für den wirklich wichtig. Was braucht er und wie genau können Sie dieses Bedürfnis befriedigen.

Schließlich braucht es auf der anderen Seite mutige Arbeitgeber, die bereit sind, das mit den Eltern in Führungsposition einfach mal zu probieren. In der Regel sind Entscheider diejenigen, die selbst nicht aktiv für die Kinder da waren. Die Chance, sich in dieser Rolle einzufühlen und die Welt mit den Augen der „Familienmenschen“ und  „Kümmerer“ zu sehen, ist aber immer noch vorhanden. Vielleicht gibt es ja pflegebedürftige Angehörige, an denen man probieren kann, was es heißt, für Familie da zu sein und dennoch im Job „seinen Mann/seine Frau“ zu stehen. Sie werden staunen, welche Erkenntnisse Sie gewinnen!

von: Dr. Sandra Flämig | Kategorie: Arbeitswelt heute Blog

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